Blick in "Wissensheft Atemwegserkrankungen"

Unsere Ausgabe 71, die zum 1.9.2023 erschienen ist.

03/23 | Ausgabe 71 September 2023 bis Dezember 2023 9,90 EUR (D)

Campus

Wissensheft Atemwegs erkrankungen

DAS AUGE SCHULEN

SERIE

MIT WISSEN UND FREUDE AUSBILDEN!

Jahrgang XIX | ISSN 1860-3963 | ISBN 9783-910812-017 dressur-studien.de | fair-zum-pferd.de

„Kein-Ohr-Hase“ Orgulloso nach Bekannt gabe der Preiserhöhung: Da nutzt auch kein Küsschen von Claudia mehr was. Foto: Tom Sanders

Liebe Leserinnen und Leser, es nützt nichts: Nach fast vier Jahren Kampf gegen die Kostenexplosion müssen auch wir die Preise erhöhen – allerdings dezent um 0,50 Euro pro Heft im Einzel verkauf. Im kommenden Jahr werden wir dann auch bei den Abopreisen nach ziehen und diese um zwei Euro pro Jahr erhöhen. Das sind nur sechs Prozent Erhöhung, obwohl allein unsere Druckkosten seit 2020 um satte 40 (!) Prozent gestiegen sind. Wir hatten gehofft, dass sich die Preise nach der Pandemie wie der einpendeln würden, tatsächlich haben sie sich aber nur auf hohem Niveau „stabilisiert“. Wir bitten um Ihr Verständnis und Ihre weitere Verbundenheit! Unser „Wissensheft Atemwegserkrankungen“ soll Ihnen genügend Informatio nen an die Hand geben, damit Sie und Ihr Pferd vor möglichen Zivilisations krankheiten wie dem Equinen Asthma verschont bleiben. Das Tückische an Atemwegserkrankungen ist, dass sich die Symptome erst spät bemerkbar ma chen. Was Sie wissen sollten, worauf Sie achten müssen und was zu tun ist, wenn der Ernstfall eintritt, erfahren Sie in diesem Heft.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihre Claudia Sanders

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Wissensheft: Atemwegserkrankungen

Therapeutische Unterstützung Unterstützung aus der Kräuterküche (Dr. Beatrice Dülffer-Schneitzer) Inhalation bei Pferden: Die Technik macht´s (Dr. Theresa Sommerfeld) Hands on: Atemwegserkrankte Pferde eigenhändig unterstützen (Tina Löffler) Therapeutische Unterstützung: Akupunktur (Dr. Uwe Petermann)

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Editorial (Claudia Sanders)

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Luft zum Leben: Eine Reise durch das Atmungssystem (Dr. Veronika Klein, Prof. Dr. Kerstin Fey) 8 Was die Vitalwerte über den Zustand der Atemwege verraten – und was nicht (Dr. Veronika Klein) 15 Diagnaostik: Spurensuche mit alter und neuer Technik (Dr. Julia Engels) 18

Die Mythen rund um Atemwegserkrankungen Lesererfahrungen: Geschichten, die Mut machen

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Neues aus der Wissenschaft: Wenn das Atmen schwerfällt (Dr. Diana Krischke)

Serie: Das Auge schulen (Karin Link und Jan Nivelle) Lieblingsbücher: Wenn Pferde für Dich durchs Feuer gehen (Cora von Hindte-Mieske)

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Krankheiten Übersicht Abbildungen Atmung

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Fair zum Pferd-Campus-Programm

Mehr als ein Schnupfen: Die Sinusitis beim Pferd (Dr. Bernadette Immel) Besonderheit von Pferden: Die Luftsäcke (Dr. Olivier Brandenberger) Rachen und Kehlkopf: Wenn es kratzt und pfeift (Dr. Olivier Brandenberger) Krankheiten der Luftröhre (Dr. Olivier Brandenberger) Das Hochleistungsorgan Pferdelunge und die Zivilisationskrankheit Equines Asthma (Dr. Franziska Aumer) Equine Influenza: Viel mehr als eine Erkältung (Tina Löffler) Wenn die Lymphknoten anschwellen: Druse (Dr. Sabita Stöckle) Die Allergie – von unbemerkt bis hoch akut (Dr. Katja Shell, Dr. Regina Wagner) Die Allergiediagnostik: Ein Puzzle mit vielen Teilen (Dr. Regina Wagner, Dr. Katja Shell) Das allergische Pferd: Vermeiden ist die beste Therapie (Dr. Silke Stricker, Dr. Regina Wagner)

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Alles was Recht ist: Die Kontrolle von Pferdehaltungen (Nils Michael Becker)

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Glosse Mr.P. & Me: Plumps!

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Impressum

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Vorschau Heft 4/2023

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Foto Titelbild und Inhaltsverzeichnis: www.slawik.com Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38 Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jeweiligen Artikels.

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Husten als Begleiterscheinung von Stoffwechselkrankheiten (Thomas Kranz)

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Haltung und Futter optimieren Endlich aufatmen! Belüftung – Stallklima (Georg W. Fink) Raufutterqualität erkennen: So geht´s (Dr. Anja Töpper) Heu wässern contra bedampfen: Was ist besser? (Prof. Dr. Annette Zeyner)

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Heulage, besser als ihr Ruf? (Dr. Kai Kreling)

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„Ein Pferd galoppiert mit seiner Lunge, hält durch mit seinem Herzen, gewinnt mit seinem Charakter.“ Federico Tesio, Vollblutpferde-Züchter, (1869–1954)

Foto: www.slawik.com

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Atmungssystem

Atmungssystem

Luft zum Leben: Eine Reise durch das Atmungssystem

Funktionell wird innerhalb des Atmungssystems unterschieden zwischen den luftleiten den Anteilen – sie reichen von den Nüstern bis zu den Bronchiolen – und den gasaus tauschenden Anteilen, den Alveolen. „Zum Atmungssystem gehört streng genommen auch die die Lunge umfassende Brusthöhle, die mit dem Brustfell, der Pleura, ausgeklei det ist. Diese Haut besteht aus zwei Blättern, dem Lungenfell und dem Rippenfell, die die Lungen und die Brustwand überziehen. Zwischen ihnen liegt der mit Pleuraflüssigkeit gefüllte Pleuraspalt. Er sorgt dafür, dass die Lunge beim Ein- und Ausatmen gleiten kann. Ohne diese Flüssigkeitsschicht würde sie an der Brustwand festkleben“, erklärt Veronika Klein. Die Lunge sowie die oberen und unteren Atmungsorgane bilden den Respirationstrakt des Atmungssystems. Dieser allein macht aber noch keine Atmung möglich. Erst die Atempumpe bringt Bewegung in die Lunge. Der Begriff beschreibt den Respirationstrakt zusammen mit den Ventilationsmechanismen. „Zu ihnen gehören das Atemzentrum im Gehirn, das die Atmung steuert, das periphere Nervensystem, die Atemhilfsmuskulatur – das sind das Zwerchfell, die Zwischenrippenmuskulatur und einige Bauchmuskeln – sowie der Brustkorb mit seinen Mechanismen der Erweiterung und Druckveränderung“, erläutert Veronika Klein. Ein- und Ausatmen: Nicht immer ein Selbstläufer Mit jedem Atemzug wird Luft ins Pferdeinnere geleitet. Veronika Klein beschreibt den Vorgang des Einatmens (Inspiration) genauer: „Es handelt sich um einen aktiven Vor gang, der mit der Erweiterung des Brustkorbs durch die Brustwandmuskulatur und das Zwerchfell beginnt. Durch die Erweiterung der Brusthöhle entsteht in ihr ein Unterdruck. Durch die Nüstern wird nun die Außenluft angesaugt. Sie gelangt durch die Nasengän ge, den Rachen und den Kehlkopf in die Luftröhre. Von hier aus wird sie in die Bronchien, die Bronchiolen und die Alveolen geleitet.“ In den Alveolen findet der Austausch von Sauerstoff (O₂) und Kohlendioxid (CO₂) statt: Der Sauerstoff tritt über ins Blut, wird dort gebunden und im Körper weitertransportiert. Die Veterinärin beschreibt genauer, wie es dazu kommt: „Die Lungenbläschen sind durch ein Netzwerk von sehr kleinen durch bluteten Gefäßen, den Kapillaren, auch Haargefäße genannt, umgeben. Durch den Ein strom von Luft in die Atemwege wird die Lunge belüftet. Die unterschiedliche Gaskon zentration in den Lungenbläschen und den Gefäßen führt zur Diffusion, dem Austausch von Gas zwischen Blut und Luft. Der Sauerstoff aus der Lunge wird dabei in das Blut ab gegeben und umgekehrt Kohlendioxid abgegeben.“ Nach dem Gasaustausch muss die Luft wieder aus der Lunge befördert werden. Dies ge schieht quasi von selbst, vorausgesetzt das Atmungssystem ist gesund. Veronika Klein erklärt dazu: „Im Gegensatz zur Einatmung ist die Ausatmung ein passiver Vorgang. Die beim Einatmen angespannte Muskulatur erschlafft wieder, sodass sich der Brustkorb verkleinert. Die aufgrund der mit Luft gefüllten Lunge unter Zug stehenden elastischen Fasern des Lungengewebes verkürzen sich wieder. Dadurch wird die Luft aus der Lunge herausgedrückt.“ Sie vergleicht diesen Prozess mit einem aufgeblasenen Luftballon, der in sich zusammenfällt, wenn die Luft entweicht.

Sowohl beim Menschen als auch beim Pferd wird der Atmung meist erst dann Auf merksamkeit geschenkt, wenn sie Probleme verursacht. Dabei ist Atmen lebens wichtig – und ein gesundes, funktionsfähiges Atmungssystem die Voraussetzung für Leistung. Das Atmungssystem sorgt dafür, dass dem Körper Sauerstoff zur Verfügung gestellt und Kohlendioxid ausgeatmet wird. Dr. Veronika Klein, Fachtierärztin für Pferde aus Deutsch Evern, erklärt: „Das ist notwendig für einen funktionierenden Stoffwechselablauf, für Energieproduktion und Leistungsfähigkeit. Das Atmungssystem ist also Voraussetzung für das Leben. Darüber hinaus ist es Teil der Thermoregulation und verantwortlich für das Riechen.“ Das Atmungssystem und seine Bestandteile Das Atmungssystem erstreckt sich von den Nüstern bis zu den Alveolen, den Lungen bläschen, in denen der Gasaustausch stattfindet. Zu ihm gehören die oberen und die unteren Atemwege. Die Atemwege dienen als Verbindung zwischen der Außenwelt und den Alveolen. Sie sind mit Zellen ausgestattet, die Schleim produzieren und Zilien tragen – feine Härchen, die auch als Flimmerhärchen bekannt sind. Die oberen Atemwege umfassen die Nüstern, die Nasengänge, die durch eine Scheide wand getrennte Nasenhöhle mit ihren Ausbuchtungen – den Nasennebenhöhlen – so wie die Luftsäcke, den Rachen und den Kehlkopf. Veronika Klein nennt eine Besonder heit beim Pferd: „Pferde können ausschließlich durch die Nüstern atmen. Anders als der Mensch oder der Hund, die sowohl durch die Nase als auch den Mund beziehungs weise das Maul atmen können, ist dem Pferd anatomisch bedingt eine ‚Maulatmung‘ nicht möglich.“ Die Aufgabe des oberen Atmungssystems ist, die Luft zu reinigen, zu er wärmen und zu befeuchten. Zu den unteren Atemwegen zählen die Luftröhre, die Bronchien, die Bronchiolen, die Al veolen und das Interstitium. „Die Luftröhre wird im oberen Bereich durch Knorpelspan gen stabilisiert, die an der Unterseite des Halses zu erfühlen sind. Weiter unten verzweigt sie sich in zwei in den Lungenflügeln liegende Hauptbronchien“, so Veronika Klein. Die Bronchien befördern die Luft in die Lungenflügel. Die Hauptbronchien verzweigen sich in Bronchien und dann in Bronchiolen. So kommt eine starke Verästelung zustande, ähn lich einem auf dem Kopf stehenden Baum (s. Abb. 4, S. 27), wobei die luftleitenden An teile zu den Enden hin immer kleiner werden. Auf die Bronchiolen folgen die noch klei neren Lungenbläschen, die Alveolen, in denen schließlich der Gasaustausch stattfindet. In Bronchiolen und Alveolen befinden sich keine Knorpelanteile mehr. Das Interstitium spielt eine wichtige Rolle für die Atemmechanik. Dieses Bindegewebe ist für die grundle genden Gewebeeigenschaften der Lunge verantwortlich und bildet ihr Stützgerüst.

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Atmungssystem

Atmungssystem

Anders sieht es allerdings aus, wenn das Pferd an Equinem Asthma leidet.„In diesem Fall sind die Schleimhäute geschwollen, es befindet sich vermehrt Schleim in den Atemwe gen und die Muskulatur um die Bronchien herum ist durch das Husten sehr stark. Da durch sind die Atemwege verengt; die Öffnung, durch die die Luft entweichen kann, ist somit sehr klein. Die Eigenelastizität der Lunge reicht nun nicht mehr aus, um die Luft hinauszubefördern. Sie wird deshalb mit der Bauchpresse, also durch Anspannen der Bauchmuskulatur, aktiv aus der Lunge herausgepresst“, so die Fachtierärztin. Bei symp tomatischen chronischen Asthmatikern führt die bei jedem Atemzug angespannte Bauchmuskulatur zur sogenannten Dampfrinne, einer sichtbaren Vertiefung entlang des Rippenbogens. „Häufig sind diese Pferde aufgrund der großen Anstrengung, die sie 24 Stunden lang leisten müssen, auch abgemagert“, fügt Veronika Klein hinzu. Bestens reguliert Die beiden Kreislaufsysteme, der Lungenkreislauf und der Körperkreislauf, arbeiten eng zusammen. Im Lungenkreislauf wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und Kohlendi oxid (CO₂) zur Lunge transportiert. Im Körperkreislauf versorgt das Blut die Körperzellen mit Sauerstoff und nimmt das CO₂ auf. Das Atmungssystem wird über ein körpereigenes Messsystem, das Atem- und Kreislauf zentrum im Gehirn, gesteuert, wie Veronika Klein erklärt: „Es misst ständig den Gehalt von Gasen im Blut. Ist der Sauerstoffgehalt im Blut zu niedrig, springt ein Alarmsystem im Kopf an und das periphere Nervensystem gibt der Atemmuskulatur den Befehl einzu atmen. Wenn also im Training die Muskulatur nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff ver sorgt ist, um Leistung zu erbringen, wird dank dieses Regulationssystems der Körper zu einem schnelleren Herzschlag und schnellerer Atmung veranlasst. Ebenso funktioniert das System, wenn nach dem Training vermehrt CO₂ abgeatmet werden muss.“ Es gibt allerdings auch Fälle, in denen der Sauerstoffgehalt im Blut nicht ausreichend reguliert werden kann. Veronika Klein erklärt die Gründe: „Das bedeutet nicht, dass das Messsys tem versagt hat, sondern dass die Lunge nicht funktioniert. Das ist bei Equinem Asth ma der Fall. Das Pferd hat dann eine erhöhte Atemfrequenz, das Atemzugvolumen deckt aber nicht den Sauerstoffbedarf der Muskulatur. Deshalb ermüdet das Pferd schneller.“ Die Atemwege – Atmungsorgane mit vielen Talenten Die Atemwege sind in der Lage, ihre Schleimhaut sowie die eingeatmete Luft zu be feuchten – ein wichtiger Vorgang, denn: „Sind die Atemwege zu trocken und die Luft feuchte in der Lunge nimmt ab, verringert sich die Schutzbarriere der Zellen und der Lunge. Dadurch öffnet sich die Tür für Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger“, sagt Veronika Klein. Das sei auch der Grund dafür, dass Wintersportler anfälliger für Atemwegserkrankungen seien: „Sie haben durch die Belastung eine höhere Atemfre quenz. Durch die schnellere Atmung trocknet die Lunge aus. Noch dazu atmen sie kalte, trockene Luft ein. Die Folge sind leichte Entzündungen in der Lunge. Von Pferden mit Equinem Asthma sollten deshalb bei Temperaturen deutlich unterhalb des Gefrier punkts keine hohen Leistungen verlangt werden. Auch bei gesunden Pferden wür de ich nicht empfehlen, bei solchen Bedingungen Höchstleistungen zu fordern.“

Die Grafik zeigt, wie groß die Pferdelunge im Verhältnis zum Pferdekörper ist. Grafik: istock.com/decade3d

Doch nicht in jedem Fall führen diese leichten Entzündungen zu Infektionen oder chro nischen Veränderungen.„In einem gesunden Organismus erhöhen sie nur kurzfristig die Anfälligkeit für Infekte und die Entzündung wird wieder beseitigt. Die Gefahr eines In fekts steigt jedoch, wenn weitere Risikofaktoren hinzukommen wie Übergewicht, man gelnde Bewegung, Überforderung, unangepasste Ernährung oder haltungsbedingter Stress“, so die Tierärztin. Bei weniger tiefen Temperaturen sorgt die gute Durchblutung der Schleimhaut in den oberen Atemwegen dafür, dass die eingeatmete Luft ausreichend erwärmt wird, bevor sie in die Lunge eintritt. Dies verhindert nicht nur ein Austrocknen der Lunge. „Beim Ein atmen kalter Luft ziehen sich zudem die Bronchien zusammen, sodass der Organismus weniger Sauerstoff bekommt“, erklärt Veronika Klein. Die Schleimhaut der Atemwege reinigt außerdem die eingeatmete Luft. „Ihre Schleim schicht fängt Fremdstoffe wie Pollen oder Staub ab. Der Schleim wird über die Nasen härchen wieder zum Nasenausgang befördert“, erläutert Veronika Klein. Auch in den un

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ECHT

Atmungssystem

Atmungssystem Das Atmungssystem ist wichtig für die Thermoregulation, deren Aufgabe es ist, die Körperkerntemperatur konstant zu halten. „Ebenso wie über die Haut wird auch über die Atemwege Wärme abgege ben. Das geschieht, indem an der insge samt sehr großen Oberfläche der Atemwe ge Flüssigkeit verdunstet. Diese Verduns tung hat einen kühlenden Effekt. Genauso wie das Schwitzen führt diese Art der Wär meabgabe immer zu einem Wasserverlust. Beim Schwitzen ist dieser allerdings auch noch mit einem Elektrolytverlust verbun den“, so die Veterinärin. Wärme kann da rüber hinaus auch noch auf andere Weise abgegeben werden: „Die Lunge ist auch in der Lage, die Schleimhäute besser zu durchbluten, sodass Wärme abgegeben wird“, so Veronika Klein. Leistungsfähig, aber störanfällig Veronika Klein fasst zusammen, was das Atmungssystem des Pferdes so beson ders macht:„Es ist sehr leistungsfähig, aber im Vergleich zu anderen Organsystemen auch sehr empfindlich. Und es lässt sich nicht trainieren. Fast alle Komponenten im Körper können durch Training verbessert werden. So können beispielsweise die An zahl der Gefäße, der Blutkörperchen und der Muskelzellen beeinflusst werden; Seh nengewebe und Knochen können stabili siert werden. Das Atmungssystem lässt sich nicht verbessern – ist es einmal ka putt, bleibt es kaputt. Es ist definitiv der limitierende Faktor im Training und im Leben des Pferdes.“ Störungen können grundsätzlich überall im Atmungssystem auftreten, berichtet Prof. Dr. Kerstin Fey, Fachtierärztin für In nere Medizin, Dip ECEIM und Leiterin der Fachklinik für Pferde, Innere Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen. Am häu

SCHRÄG!

Dr. Veronika Klein. Foto: Diana Wahl

Wolltest Du schon immer einen Schnappschuss Deines vierbeini en Lieblin s als dekoratives, hand emaltes Aquarell? Mit meinen „etwas anderen“ Tierportraits schae ich eine einzi arti e Erinnerun für Dich!

teren Atemwegen findet ein wichtiger Reinigungsprozess statt. Er nennt sich mukozi liäre Clearance. Veronika Klein beschreibt, was sich dahinter verbirgt: „Mucus bedeutet Schleim, Clearance Reinigung. Auf der Schleimhaut befinden sich Flimmerhärchen, die sogenannten Zilien. Man kann sie sich vorstellen wie Seegras. Sie bewegen den Schleim in eine Richtung, und zwar nach oben. Pollen, Schmutzpartikel und Krankheitserreger werden so mit dem Schleim aus der Lunge in Richtung Nüstern transportiert. Es handelt sich also um einen Selbstreinigungsprozess der Lunge mit einer sogenannten Rolltrep penfunktion nach außen.“ Dieses geniale System leistet perfekte Arbeit – wenn die Be dingungen gut sind. Veronika Klein erklärt, wie diese im besten Fall aussehen: „Die na türliche Haltung des Pferdes ist die tiefe Kopfhaltung, die es einnimmt, wenn es auf der Futtersuche ist. So legt es in der Natur täglich 15 bis 20 Kilometer im Schritt an der fri schen Luft zurück. In dieser Haltung kann der Schleim gut abfließen.“ Der „worst case“ sieht dagegen in etwa so aus: „Wenn die Lunge zu trocken und dadurch die Schleim schicht vermindert ist, die Zilien noch dazu verkrüppelt sind, weil das Pferd eine chroni sche Atemwegserkrankung hat, und es darüber hinaus nur aus hoch gehängten Heunet zen gefüttert wird, funktioniert der Abtransport nach außen nicht. Gleiches gilt, wenn sich das Pferd wenig bewegt und stattdessen viel herumsteht und döst. Allein die dau erhafte Fütterung von Heu aus erhöhten Futtervorrichtungen ist schon problema tisch“, sagt die Veterinärin. Das sei auch beim Transport zu berücksichtigen. „Frisst das Pferd dabei aus einem Heunetz, haben wir wieder mehrere Probleme: Es steht die ganze Zeit, hält den Kopf oben und atmet noch dazu viele Staubpartikel ein.“ Ihr Rat: Wird ein Pferd häufig und über längere Strecken transportiert, sollte entweder nasses Heu gefüt tert oder ganz darauf verzichtet werden.

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Atmungssystem

Vitalwerte Was die Vitalwerte über den Zustand der Atemwege verraten – und was nicht

Die Vitalparameter spiegeln den aktuellen Zustand des Körpers wider. Sie können Hinweise auf Krankheiten geben, zum Beispiel der Atemwege. Allein betrachtet führen sie jedoch noch nicht zu einer Diagnose. Dennoch lohnt es sich, diese Werte im Auge zu behalten. Vitalparameter oder Vitalwerte sind die Messgrößen wichtiger Körperfunktionen. Zu ih nen zählen die Herzfrequenz, also der Puls (P), die Atemfrequenz (A) und die Körpertem peratur (T), kurz die PAT-Werte. Für sie existieren Normwerte, anhand derer Auffälligkei ten festgestellt werden können. Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach, denn je des Pferd ist nun einmal ein Individuum. Die Fachtierärztin für Pferde Dr. Veronika Klein aus Deutsch Evern empfiehlt deshalb, ein Gesundheitstagebuch zu führen:„Die PAT-Wer te sollten jeden Tag zur gleichen Zeit und mit genügend Abstand zur Arbeit gemessen und notiert werden. Nach einer Sieben-Tage-Messung kann der jeweilige Durchschnitts wert für das Pferd ermittelt werden.“ Alarm, wenn die Ampel auf Rot steht Wurden diese Werte erfasst, kann sich der Pferdehalter grob an der Gesundheitsampel orientieren (siehe Tabelle S. 17). Die unter „grün“ angegebenen Werte bedeuten, dass es keine Auffälligkeiten gibt. „Gelb“ bedeutet, dass die Messung in kürzeren Zeitabständen wiederholt und die Entwicklung beobachtet werden sollte.„Rot“ ist das Stoppsignal und bedeutet, dass der Tierarzt gerufen werden muss. Generell können Abweichungen vom „grünen“ Bereich unterschiedlichste Gründe ha ben, wie Veronika Klein berichtet: „Sie können auftreten bei Belastung, Krankheit, aber auch bei Stress oder Aufregung und bei Temperaturanstieg – das heißt, wenn die Außen temperatur steigt. Und auch der Trainingszustand spielt eine Rolle.“ Vitalwerte sind keine Beweise Was sagen nun die Vitalparameter über das Vorliegen einer Atemwegserkrankung aus? Veronika Klein weist zunächst darauf hin, dass schon die Vielzahl der Erkrankungen die ser Art eine pauschale Antwort unmöglich macht. „Das Spektrum der Atemwegserkran kungen reicht von der Vereiterung der Nasennebenhöhlen über Equines Asthma, virale Infekte wie Herpes oder Influenza bis hin zu Pilzinfektionen der Luftsäcke, Lungenbluten oder Kehlkopfpfeifen. Je nach Erkrankung können alle Vitalparameter Hinweise auf ein Krankheitsbild geben. Im Umkehrschluss können sie aber auch bei anderen Erkrankun gen steigen oder fallen“, erklärt sie. Zudem können die Werte erhöht sein, ohne dass eine Erkrankung vorliegt – oder es liegt eine Atemwegserkrankung vor, ohne dass die Vital parameter auffällig sind. Die Tierärztin nennt ein Beispiel: „Bei geringgradigem Equinen Asthma (IAD) ist die Atemfrequenz in Ruhe nicht verändert. Erst unter Belastung treten die Symptome auf. Die Vitalwerte sind nur Hinweise, nie Beweise. Es gilt immer das gesamte Pferd anzuschauen und die Befunde in den Kontext zu setzen.“

Foto: www.slawik.com

Mehr über Dr. Veronika Klein erfahren Sie auf ihrer Internetseite www.kernkompetenz-pferd.de Informationen über Prof. Dr. Kerstin Fey finden Sie unter „Klinik für Pferde – Innere Medizin“ auf der Seite www.uni-giessen.de Lesetipps Kerstin Fey, Bernhard Ohnesorge, Monica Venner:„Krankheiten der Atmungsorgane“ in:„Handbuch Pferdepraxis“, Enke, 4. Auflage, 2016 Gilian Higgins:„Anatomie verstehen: Die Organe des Pferdes“, Kosmos, 2013 Horst Erich König, Hans-Georg Liebich:„Anatomie der Haussäugetiere“, Schattauer, 5. Auflage, 2012 figsten machten bei erwachsenen Pferden akute Infektionen und die Chronisch obstruk tive Bronchitis, international auch als Equines Asthma bezeichnet, Probleme. Doch das Feld der Atemwegserkrankungen ist noch weit größer, macht Kerstin Fey deutlich: „Es gibt – wenn auch seltener – eine Vielzahl weiterer Erkrankungen, die zum Teil zunächst ganz ähnlich aussehen können. Um eine korrekte Diagnose stellen zu können, sind oft umfangreiche und manchmal auch wiederholte tierärztliche Untersuchungen ein Muss.“ Der Pferdehalter kann, und das ist die gute Nachricht, immerhin einiges dafür tun, dass es gar nicht so weit kommt: „Viel Bewegung an der frischen Luft, die auch einmal zum tiefen Durchatmen führt, staubarmes Heu und Stroh und korrekt durchge führte Impfungen bei Pferden, die Kontakt zu stallfremden Tieren haben, tragen entscheidend dazu bei, dass das Atmungssystem gesund bleibt“, betont die Wis senschaftlerin. (Karin Ottemann)

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Vitalwerte

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Puls Die Herzfrequenz beträgt im Ruhezustand 25 bis 44 Schläge pro Minute. Sie ist erhöht bei Schmerz, Aufregung, Krankheit und Belastung. Atmung Die Atemfrequenz beträgt in Ruhe normalerweise 8 bis 16 Atemzüge pro Minute (die Grenzwerte können je nach Quelle etwas variieren). Bei großer Hitze kann sie erhöht sein, ohne dass eine Erkrankung vorliegt, da der Körper über die Atmung Wärme abgibt, um sich abzukühlen. Bei Equinem Asthma ist der Atemwiderstand durch die krankhafte Verengung der Atemwege erhöht. Hier führe die Erkrankung zu einer erhöhten Atem frequenz, sagt Veronika Klein. Sie nennt weitere Faktoren, die die Atmung beschleuni gen: „Infekte führen oft zu einer erhöhten Atemfrequenz, noch bevor die Pferde anfangen zu husten – Husten ist ein Spätsymptom. Bei Belastung und Training er höht sich der Sauerstoffbedarf. Daher ist eine Erhöhung der Atemfrequenz in diesem Fall ganz normal. Bei Schmerzen und Stress sind sowohl Atem- als auch Pulsfrequenz erhöht. Diese Veränderungen sind nicht krankhaft, sondern eine Verhaltensanpassung an die Umgebung.“ Eine Besonderheit stellen die Isländer dar:„Bei ihnen sind in Ruhe 16 bis 20 Atemzüge pro Minute die Norm. Diese im Vergleich zu anderen Pferden erhöhte Atemfrequenz ist bei ihnen rassetypisch“, erklärt Veronika Klein. „Puls und Atmung sind bei Pferden mit chronischen Atemwegserkrankungen immer in Korrelation zu betrachten“, betont sie. Im Training steigt mit der Intensität der Arbeit auch die Atemfrequenz. Bei leichter Arbeit liegt die Atemfrequenz bei 30 Zügen pro Mi nute und das Verhältnis von Puls zu Atmung etwa bei zwei zu eins. Der Puls ist definitiv höher als die Atemfrequenz. Bei mittlerer Arbeit verschiebt sich das Verhältnis in Rich tung eins zu eins bei einer Atemfrequenz von 90 Zügen pro Minute. „Der Puls ist dann immer noch höher oder gleich der Atemfrequenz. Nach der Belastung wird die Atmung für die CO₂- und Wärmeabgabe genutzt. Deshalb bleibt die Atmung länger erhöht als der Puls. 30 Minuten nach dem Training sollte der Puls wieder höher als die Atmung sein und die Atemfrequenz unter 40 liegen. Ist das nicht der Fall, ist das ein Alarmzei chen“, erklärt Veronika Klein. Insbesondere bei Asthmapatienten kann es schnell zu ei ner Überbelastung kommen.„Die Atemfrequenz ist dann während der Belastung höher als der Puls – das Verhältnis Puls zu Atmung von zwei zu eins kehrt sich um. Auch bei gesunden Pferden gilt: Wenn die Atemfrequenz während der Arbeit oder unmittel bar danach höher ist als der Puls, ist das Pferd überanstrengt, überfordert oder in seinen Möglichkeiten erschöpft. Bei Asthmapatienten sollte dies unbedingt über wacht werden.“ Veronika Klein empfiehlt, bei erkrankten Pferden die Werte regelmäßig in einem Lungentagebuch zu notieren, um Muster im Krankheitsverlauf zu erkennen. Temperatur Die normale Körpertemperatur liegt im Ruhezustand zwischen 37,0 und 38,2 Grad. Bei Atemwegsinfekten kann sie erhöht sein. Im Training steigt sie auf 39,0 bis 40,0 Grad an. Veronika Klein erklärt dazu: „20 bis 30 Minuten nach Ende der größten Belastung soll sie wieder den Ausgangswert erreicht haben. Die Absenkung beträgt im Normalfall ein

Ruhewerte:

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gelb

rot

+/- 2 Schläge/min Normalwert

+/- 4-6 Schläge/min Normalwert

+/- > 6 Schläge/min Normalwert

Puls

Atmung

8-14 Züge/min

14-18 Züge/min

18 Züge/min

+/- 0,4°C Normaltemperatur

+/- 0,5°C Normaltemperatur

+/- 0,6°C N Normaltemperatur

Temperatur

Grafik: DS, Quelle: Veronika Klein

Grad pro zehn Minuten. Sie ist aber abhängig von Außentemperatur, Luftfeuchte und Luftbewegung.“

Keine Aussage ohne weitere Untersuchungen Um eine Atemwegserkrankung zuverlässig zu diagnostizieren, ist neben der Erfassung der Vitalwerte eine Vielzahl weiterer Maßnahmen erforderlich, betont Veronika Klein:„Al lem voran benötige ich den Vorbericht und eine Anamnese. Dann folgen eine klinische Allgemeinuntersuchung und eine spezielle Untersuchung der Atemwege in Ruhe und unter Belastung. Neben Untersuchungen von Nasenhöhlen, Lungenfeld, Luftröhre und Lunge liegt hier das Augenmerk auch auf Auffälligkeiten der Symmetrie des Kopfes oder geblähten Nüstern.“ Zu den weiteren Untersuchungen zählen die Bronchoskopie mit Tracheobronchialsekretgewinnung und die Bronchoalveoläre Lavage, kurz BAL, auf die Veronika Klein noch einmal ausdrücklich hinweist, denn: „Nur die BAL gibt spezifischen Aufschluss über eine Erkrankung der unteren Atemwege. Diese kann mit einer Broncho skopie nicht nachgewiesen werden.“ Die Lungenfunktion kann mit einer arteriellen Blut gasanalyse bestimmt werden. Laut Veronika Klein können in einigen Fällen auch bildge bende Verfahren wie Röntgen oder Ultraschall sinnvoll sein. (Karin Ottemann)

Informationen über Dr. Veronika Klein finden Sie auf ihrer Internetseite www.kernkompetenz-pferd.de Ihr Lungentagebuch steht unter www.kernkompetenz-pferd.de/lungen-tagebuch/ zum kostenlosen Download zur Verfügung. Lesetipp Dressur-Studien | Fair zum Pferd:„Das Notfall-Heft: Erste Hilfe!“, Heft 3/2019, Ausgabe 55

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Diagnostik

Diagnostik

Diagnostik: Spurensuche mit alter und neuer Technik

nis beteiligt oder fällt eine verstärkte Bauchatmung auf? Presst das Pferd die Luft ange strengt aus den Bronchien, wird die sogenannte Dampfrinne seitlich am Bauch sichtbar, ein deutlicher Hinweis auf eine fortgeschrittene Erkrankung. Wenn das Pferd bereits in Ruhe beim Atmen die Nüstern aufbläht, ist das ein klarer Hinweis auf Atemnot. Wichtig ist auch die Körpertemperatur, Fieber wäre ein Anzeichen für einen akuten Infekt. Die Atemfrequenz ist jedoch ein unzuverlässiger Wert. Sehr fitte Sportpferde oder sehr junge Tiere können trotz akuter Atemnot eine weitgehend normale Atemfre quenz aufweisen. Und ist die Frequenz erhöht, müssen auch andere Ursachen geklärt werden. Zum Beispiel die Außentemperatur: Womöglich versucht da einfach ein Ro bustpferd mit Rest-Winterfell seinen Körper herunterzukühlen. Thermoregulation läuft bei Pferden auch über die Atmung. Vielleicht hat das Pferd auch gerade Stress oder gar Schmerzen. „Ich habe auch Pferde mit Bauchschmerzen, die auffällig atmen“, sagt Julia Engels. Die Farbe der Schleimhäute gibt einen ersten Eindruck über die Sauerstoffversor gung. Wenn sie bläulich sind, fehlt dem Pferd wahrscheinlich deutlich Luft. Geschwolle ne Unterkieferlymphknoten weisen auf einen Infekt der oberen Atemwege hin. Abhören: Klassiker mit begrenzter Aussagekraft Der nächste Schritt ist das Abhören mit dem Stethoskop, medizinisch als Auskultation bezeichnet. Hier kann aber nur bewegter Schleim in den Bronchien als rasselndes Ge räusch erkannt werden. „Häufig sind die Veränderungen erst relativ spät hörbar“, so Ju lia Engels. Normal sei ein geringgradiges Einatemgeräusch, das Ausatmen sollte nicht hörbar sein: „Alles, was darüber hinausgeht, ist auffällig.“ Neben einer Verstärkung der Bronchoskopie: Endoskopische Untersuchung der Luftröhre und des oberen Bereichs der Bronchien, ggfs. Entnahme von Probenmaterial mittels Katheter Bronchoalveoläre Lavage: Spülprobe aus den Lungenbläschen Blutgasanalyse: Untersuchung des arteriellen Blutes auf den Gehalt an Sauer stoff und Kohlendioxid Röntgen: Abbildung des Lungenvolumens und möglicher Flüssigkeiten Ultraschall: Abbildung der Lungenoberfläche, Ausdehnung und Flüssigkeitsein lagerungen Biopsie: Gewinnung einer Gewebeprobe Allergietest: Nachweis der Immunreaktion mittels Blutuntersuchung oder Pro vokation einer Reaktion durch Aufbringen von Allergenen auf die Haut Diagnostik von Atemwegserkrankungen Anamnese: Abfragen von Symptomen, Vorgeschichte, Haltungs- und Nutzungs bedingungen Klinische Untersuchung: Allgemeine Untersuchung der Vitalparameter, Allge meinzustand Auskultation: Abhören der Lunge und Luftröhre mit dem Stethoskop Provokationstest: Druckausübung auf den Kehlkopf, um Husten auszulösen Perkussion: Abklopfen der Lungenregion

Die Diagnose einer Atemwegserkrankung ist komplex. Offensichtliche Symptome wie Husten und Nasenausfluss treten oft erst sehr spät auf. Dr. Julia Engels ist Fach tierärztin für Innere Medizin beim Pferd. Im Großraum München unterstützt sie mit ihrer mobilen Praxis auch Kollegen bei der weiterführenden Diagnostik. Aus ihrem Alltag kennt sie viele Fälle, bei denen das Problem buchstäblich sehr tief verbor gen liegt. Die erste Herausforderung bei der Diagnose besteht darin, überhaupt zu erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ein gelegentliches „Anstoßen“ zu Beginn der Arbeit wird oft noch heruntergespielt. Aber selbst dieses oft verharmloste Symptom bleibt häufig aus: „Es gibt Pferde, die gar nicht husten“, berichtet Julia Engels. Also gilt es auch andere An zeichen wie vermehrten, weißlichen oder gelben Nasenausfluss oder eine veränderte Atmung ernst zu nehmen. Und natürlich jeden Husten, auch wenn er nur gelegentlich auftritt oder scheinbar von allein wieder nachlässt – denn bei einem chronischen Ver lauf ist auch das möglich. Obwohl äußerlich alles wieder ruhig erscheint, hat sich der Schleim in der Lunge so festgesetzt, dass die Atemwege vorerst nicht mehr akut gereizt werden. Manchmal gibt es überhaupt keine Symptome im Bereich der Atemwege, und erst eine verringerte Leistungsfähigkeit macht den Pferdebesitzer auf das Problem aufmerksam. Beim Reiten fällt vielleicht auf, dass das Pferd schneller als sonst „aus der Puste“ ist, we niger Lauffreude zeigt oder nach der Arbeit länger braucht, bis sich die Atmung beru higt. Manchmal fällt häufiges Schnauben zu Beginn der Arbeit auf. Vielleicht schwitzt das Pferd auch stärker. Aber gerade wenn kein Husten auftritt, sind die Atemwege nicht die erste Ursache, an die gedacht wird. Bei Pferden, die nicht viel leisten müssen, wie viele Freizeitpferde, wird eine Leistungsschwäche oft gar nicht bemerkt. Viele Pferde werden daher erst dann gezielt auf Atemwegsprobleme untersucht, wenn die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist und die Anzeichen deutlicher werden. Am Anfang stehen viele Fragen Gerade weil die Symptome so unklar sein können, beginnt Julia Engels ihre Diagnostik immer mit einer ausführlichen Anamnese.„Ich gehe gar nicht gleich an das Pferd heran.“ Stattdessen stellt sie viele Fragen: Wie sind die Haltungs- und Fütterungsbedingungen? Wie intensiv wird das Pferd bewegt? Welche Einstreu wird verwendet? Welche Sympto me treten auf? Gab es in der Vergangenheit Husten oder andere Krankheiten? Was hat der Haustierarzt bereits festgestellt – oder eben nicht? Sie hat nicht selten Fälle, in denen wiederholtes Abhören unauffällig war.

Die klinische Untersuchung nimmt das gesamte Pferd in den Blick. Natürlich die Atem frequenz und die Art der Atmung. Sind hier Rippen und Bauch im normalen Verhält

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Atemgeräusche kann besagtes Rasseln, aber auch ein Pfeifen oder ein Knistern zu hören sein. Letzteres ist ein Hinweis auf eine Lungenentzündung. Abgehört werden beide Sei ten und die Luftröhre. Nach dem regulären Abhören sollte das Pferd angeregt werden, tiefer zu atmen. Dies kann durch Belastung erreicht werden – eine zeitaufwendige Methode, die Julia Engels dennoch bevorzugt, da die Beobachtung des Pferdes während der Arbeit weitere Hin weise liefert. Aufschlussreich ist das insbesondere bei Pferden, die überhaupt nur unter Belastung Symptome zeigen. Aber das ist nicht immer möglich und bei Pferden mit Ver dacht auf starke Einschränkungen der Atmung auch zu riskant. Julia Engels hält nicht viel vom Zudrücken der Nüstern, da dies für viele Pferde unangenehm ist. Wenn die Pa tienten mitmachen, lässt sie sie lieber in eine Tüte atmen. Die steigende Kohlendioxid Konzentration bringt sie dazu, tief zu atmen. Jetzt wird erneut abgehört. Ergänzt wird das Abhören häufig um den Provokationstest. Durch Druck auf den Kehl kopf wird Husten ausgelöst. Ein einmaliges Husten als Reaktion gilt als normal, während mehrmaliges Husten auf überreizte Atemwege hinweist. Die Anwendung der Tüte habe aber eine ähnliche Wirkung und provoziere bei vorgeschädigten Patienten ebenfalls Hus ten, ergänzt Julia Engels. Dann sei der Provokationstest meistens gar nicht mehr nötig. Obwohl das Abhören ein „Klassiker“ der Atemwegsdiagnostik ist, besteht immer die Ge fahr, einen negativen Befund zu stark zu bewerten. Das Fehlen auffälliger Geräusche be deutet nicht zwangsläufig, dass alles in Ordnung ist. Wenn Symptome bestehen, sollte auf jeden Fall auch per Endoskop weiter untersucht werden. Festsitzender Schleim ver ursacht selbst unter Belastung keine oder nur schwer hörbare Geräusche. Viele erkrank te Pferde werden mehrfach abgehört und mangels Befund für gesund erklärt. Dies erhöht das Risiko, dass die Probleme sich verschlimmern, chronisch werden und letzt endlich irreversibel sind. Nicht selten offenbart das Endoskop bei einem mehrfach un auffällig abgehörten Pferd große Mengen festsitzenden Schleims und damit eine drin gend behandlungsbedürftige, manchmal sogar schon irreversible Erkrankung. Objektive Laborwerte für eine genaue Einschätzung Zur speziellen Ausstattung von Julia Engels‘ mobiler Praxis gehört ein Gerät zur Blutgas analyse. Bei Verdacht auf Atemwegsprobleme empfiehlt sie diese Untersuchung auf je den Fall, da sie relativ einfach durchzuführen ist. Eine Probe von Blut aus der Arterie wird auf den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt untersucht. So gewinnt die Tierärztin einen objektiven Zahlenwert, der zeigt, wie gut das Blut mit Sauerstoff angereichert wurde, also wie effizient das Pferd atmet. „Das ist sehr aussagekräftig“, betont sie – außer bei Spezialisten: Fitte Sportpferde könnten Atemprobleme manchmal so gut kompensieren, dass sie selbst hier noch nicht auffallen. Diese Untersuchung können nicht alle Tierärzte anbieten, da das sauerstoffreiche Blut sehr zeitnah analysiert werden muss: Wird die Pro be auf Eis gelegt, bleibt ein Zeitfenster von etwa 30 Minuten. Das funktioniert also nur, wenn das erforderliche Gerät direkt vor Ort ist. Pferdebesitzer müssen sich daher für die Blutgasanalyse einen Tierarzt mit entsprechender Ausrüstung suchen oder in eine Klinik

Dr. Julia Engels. Foto: Magdalena Wijts

fahren. Hilfreich ist diese Blutuntersuchung auch, um den Verlauf der Heilung zu beurtei len. So kann objektiv kontrolliert werden, ob sich die Atmung des Pferdes wirklich ver bessert. Die nächste Untersuchungsmöglichkeit ist die Endoskopie der oberen Atemwege, auch als Bronchoskopie bekannt. Für diese Untersuchung wird das Pferd sediert. Trotzdem husten die Patienten, wenn der Tierarzt ihnen den Schlauch in die Nase schiebt. Für den Pferdebesitzer kein schöner Anblick, aber Julia Engels beruhigt: „Das ist alles sehr weit in dem Bereich, und das Endoskop geht nur bis zur ersten Verästelung der Bronchien.“ Wichtig sei eine ausreichend tiefe Sedierung, um Abwehrreaktionen zu vermeiden – und auch damit das Pferd nicht zu viel husten muss. Verletzungen durch das Endoskop seien bei Pferden bei korrekter Anwendung der Methode extrem selten. Die winzige Kamera liefert jetzt ein Bild der Lage. Über einen Bildschirm sieht der Tier arzt, wie es im oberen Bereich der Lunge aussieht. So können Rötungen, Schwellungen, Verengungen, Sekrete und auch Tumore oder Fremdkörper entdeckt werden. Wenn Schleim zu erkennen ist, kann über einen Katheter direkt eine Probe davon entnommen werden. Diese Probe des sogenannten Tracheobronchialsekrets kann dann auf Krank heitserreger und Entzündungszellen untersucht werden. Entzündungszellen sind Zellen, die an der Immunreaktion beteiligt sind. Sie treten sowohl bei einem akuten Infekt als auch bei einer allergischen Reaktion vermehrt auf. Bei einer bakteriellen Infektion kann anhand von Probenmaterial aus dem Schleim bestimmt werden, welches Antibiotikum am wirksamsten ist. Aber auch wenn so schon Material aus den Atemwegen für das Labor gewonnen wur

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Blick durch das Mikroskop. Hier sichtbar die BAL eines Pferdes mit deutlich vermehrten neutrophilen Granulozyten (Entzündungszellen). Das sind die gelappten Zellen. So würde das Zellbild bei einem Equinen Asthma aussehen. Foto: Dr. Julia Engels

Blick in die Atemwege des Pferdes bei einer Bronchoskopie. Deutlich zu erkennen ist das weiße Sekret als Zeichen der Er krankung. Foto: Dr. Julia Engels

genbindegewebes verursachen. Flüssigkeit in der Lunge, auch das klingt eher beunruhigend. Julia Engels bestätigt: Nicht alles von der Kochsalzlösung wird wieder abgesaugt, Reste verbleiben in der Lunge. Schädlich seien die Rückstände aber nicht, sie würden vom Pferd wie andere Sekrete auch über die Nase wieder abgegeben. In der Lunge selbst wirke die Flüssigkeit wie eine Inhalation, wo ja auch unter anderem Kochsalzlösung in feinen Tröpfchen gezielt die tieferen Atemwege erreichen soll. Nicht zu verwechseln sei dieses Verfahren mit einer Lungenspülung, die zu therapeutischen Zwecken erfolgt. Für die Probe sind nur geringe Mengen Flüssigkeit erforderlich. Ein Bild von der Lunge: Röntgen und Ultraschall Für einen Eindruck von der Lunge kann auch ein Röntgenbild nötig sein, dafür müsse das Pferd aber in eine Klinik, sagt die Fachtierärztin. Mobile Geräte könnten die Lunge nicht gut darstellen und seien eher zur Lahmheitsdiagnostik geeignet. Das Röntgenbild kann die Lunge in ihrer Größe und Form abbilden. Hier werden vor allem die Bronchial wände und das Lungenbindegewebe beurteilt. Flüssigkeit oder Abszesse, die auf eine Lungenentzündung hinweisen, sind so erkennbar. Auch Tumore können sich durch Ver dichtungen des Lungenbindegewebes im Röntgenbild zeigen. Anders als eine Röntgenuntersuchung ist der Ultraschall mit einem mobilen Gerät auch im Stall möglich. Hier kann die Lungenoberfläche noch genauer auf Veränderungen

de, rät Julia Engels zu einer ergänzenden Spülprobe, die sogenannte Bronchoalveoläre Lavage (BAL). Oft finde sich nur wenig oder gar kein Schleim in den oberen Bronchien, dann liefert die Spülprobe trotzdem ein sehr klares Bild. Dazu wird der dickere Endos kop-Schlauch zurückgezogen und dafür ein feinerer, weicherer Schlauch eingeführt, der tiefer in die Lunge geschoben werden kann. Darüber wird etwas Kochsalzlösung einge leitet und direkt wieder abgesaugt. Die Lösung gelangt bis in die Alveolen, die Lungen bläschen, und kann daher Aufschluss darüber geben, ob es dort Entzündungen gibt. Das Ergebnis ist eine Stichprobe von Zellen aus der Lunge. Der Anteil möglicher Entzün dungszellen liefert hier einen genauen Wert zur Schwere der Erkrankung: bis sieben Pro zent gelten als normal. Bei Equinem Asthma wird bei einem Anteil von 20 Prozent von einer geringgradigen Erkrankung ausgegangen, die noch vollständig reversibel ist. Da rüber liegt eine mittel- bis hochgradige Erkrankung vor. Da Equines Asthma die häufigs te Diagnose bei Patienten mit Atemwegssymptomen ist, sind diese genauen Werte zur Ausprägung der Erkrankung wichtig. Diese Auszählung sei bei einer Probe des höher liegenden, oft schon älteren und zähe ren Schleims kaum möglich, nennt Julia Engels den Vorteil der BAL. Die Zellen seien in Proben des Tracheobronchialsekrets schwer zu separieren und zu zählen, anders als in der Spüllösung. Zudem kann die Spülprobe auf weitere mögliche Krankheitserreger wie beispielsweise Equine Herpesviren untersucht werden, die eine Entzündung des Lun

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