Blick in "Wissensheft Atemwegserkrankungen"

Diagnostik

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Atemgeräusche kann besagtes Rasseln, aber auch ein Pfeifen oder ein Knistern zu hören sein. Letzteres ist ein Hinweis auf eine Lungenentzündung. Abgehört werden beide Sei ten und die Luftröhre. Nach dem regulären Abhören sollte das Pferd angeregt werden, tiefer zu atmen. Dies kann durch Belastung erreicht werden – eine zeitaufwendige Methode, die Julia Engels dennoch bevorzugt, da die Beobachtung des Pferdes während der Arbeit weitere Hin weise liefert. Aufschlussreich ist das insbesondere bei Pferden, die überhaupt nur unter Belastung Symptome zeigen. Aber das ist nicht immer möglich und bei Pferden mit Ver dacht auf starke Einschränkungen der Atmung auch zu riskant. Julia Engels hält nicht viel vom Zudrücken der Nüstern, da dies für viele Pferde unangenehm ist. Wenn die Pa tienten mitmachen, lässt sie sie lieber in eine Tüte atmen. Die steigende Kohlendioxid Konzentration bringt sie dazu, tief zu atmen. Jetzt wird erneut abgehört. Ergänzt wird das Abhören häufig um den Provokationstest. Durch Druck auf den Kehl kopf wird Husten ausgelöst. Ein einmaliges Husten als Reaktion gilt als normal, während mehrmaliges Husten auf überreizte Atemwege hinweist. Die Anwendung der Tüte habe aber eine ähnliche Wirkung und provoziere bei vorgeschädigten Patienten ebenfalls Hus ten, ergänzt Julia Engels. Dann sei der Provokationstest meistens gar nicht mehr nötig. Obwohl das Abhören ein „Klassiker“ der Atemwegsdiagnostik ist, besteht immer die Ge fahr, einen negativen Befund zu stark zu bewerten. Das Fehlen auffälliger Geräusche be deutet nicht zwangsläufig, dass alles in Ordnung ist. Wenn Symptome bestehen, sollte auf jeden Fall auch per Endoskop weiter untersucht werden. Festsitzender Schleim ver ursacht selbst unter Belastung keine oder nur schwer hörbare Geräusche. Viele erkrank te Pferde werden mehrfach abgehört und mangels Befund für gesund erklärt. Dies erhöht das Risiko, dass die Probleme sich verschlimmern, chronisch werden und letzt endlich irreversibel sind. Nicht selten offenbart das Endoskop bei einem mehrfach un auffällig abgehörten Pferd große Mengen festsitzenden Schleims und damit eine drin gend behandlungsbedürftige, manchmal sogar schon irreversible Erkrankung. Objektive Laborwerte für eine genaue Einschätzung Zur speziellen Ausstattung von Julia Engels‘ mobiler Praxis gehört ein Gerät zur Blutgas analyse. Bei Verdacht auf Atemwegsprobleme empfiehlt sie diese Untersuchung auf je den Fall, da sie relativ einfach durchzuführen ist. Eine Probe von Blut aus der Arterie wird auf den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt untersucht. So gewinnt die Tierärztin einen objektiven Zahlenwert, der zeigt, wie gut das Blut mit Sauerstoff angereichert wurde, also wie effizient das Pferd atmet. „Das ist sehr aussagekräftig“, betont sie – außer bei Spezialisten: Fitte Sportpferde könnten Atemprobleme manchmal so gut kompensieren, dass sie selbst hier noch nicht auffallen. Diese Untersuchung können nicht alle Tierärzte anbieten, da das sauerstoffreiche Blut sehr zeitnah analysiert werden muss: Wird die Pro be auf Eis gelegt, bleibt ein Zeitfenster von etwa 30 Minuten. Das funktioniert also nur, wenn das erforderliche Gerät direkt vor Ort ist. Pferdebesitzer müssen sich daher für die Blutgasanalyse einen Tierarzt mit entsprechender Ausrüstung suchen oder in eine Klinik

Dr. Julia Engels. Foto: Magdalena Wijts

fahren. Hilfreich ist diese Blutuntersuchung auch, um den Verlauf der Heilung zu beurtei len. So kann objektiv kontrolliert werden, ob sich die Atmung des Pferdes wirklich ver bessert. Die nächste Untersuchungsmöglichkeit ist die Endoskopie der oberen Atemwege, auch als Bronchoskopie bekannt. Für diese Untersuchung wird das Pferd sediert. Trotzdem husten die Patienten, wenn der Tierarzt ihnen den Schlauch in die Nase schiebt. Für den Pferdebesitzer kein schöner Anblick, aber Julia Engels beruhigt: „Das ist alles sehr weit in dem Bereich, und das Endoskop geht nur bis zur ersten Verästelung der Bronchien.“ Wichtig sei eine ausreichend tiefe Sedierung, um Abwehrreaktionen zu vermeiden – und auch damit das Pferd nicht zu viel husten muss. Verletzungen durch das Endoskop seien bei Pferden bei korrekter Anwendung der Methode extrem selten. Die winzige Kamera liefert jetzt ein Bild der Lage. Über einen Bildschirm sieht der Tier arzt, wie es im oberen Bereich der Lunge aussieht. So können Rötungen, Schwellungen, Verengungen, Sekrete und auch Tumore oder Fremdkörper entdeckt werden. Wenn Schleim zu erkennen ist, kann über einen Katheter direkt eine Probe davon entnommen werden. Diese Probe des sogenannten Tracheobronchialsekrets kann dann auf Krank heitserreger und Entzündungszellen untersucht werden. Entzündungszellen sind Zellen, die an der Immunreaktion beteiligt sind. Sie treten sowohl bei einem akuten Infekt als auch bei einer allergischen Reaktion vermehrt auf. Bei einer bakteriellen Infektion kann anhand von Probenmaterial aus dem Schleim bestimmt werden, welches Antibiotikum am wirksamsten ist. Aber auch wenn so schon Material aus den Atemwegen für das Labor gewonnen wur

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