Blick in "Wissensheft Atemwegserkrankungen"

Atmungssystem

Vitalwerte Was die Vitalwerte über den Zustand der Atemwege verraten – und was nicht

Die Vitalparameter spiegeln den aktuellen Zustand des Körpers wider. Sie können Hinweise auf Krankheiten geben, zum Beispiel der Atemwege. Allein betrachtet führen sie jedoch noch nicht zu einer Diagnose. Dennoch lohnt es sich, diese Werte im Auge zu behalten. Vitalparameter oder Vitalwerte sind die Messgrößen wichtiger Körperfunktionen. Zu ih nen zählen die Herzfrequenz, also der Puls (P), die Atemfrequenz (A) und die Körpertem peratur (T), kurz die PAT-Werte. Für sie existieren Normwerte, anhand derer Auffälligkei ten festgestellt werden können. Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach, denn je des Pferd ist nun einmal ein Individuum. Die Fachtierärztin für Pferde Dr. Veronika Klein aus Deutsch Evern empfiehlt deshalb, ein Gesundheitstagebuch zu führen:„Die PAT-Wer te sollten jeden Tag zur gleichen Zeit und mit genügend Abstand zur Arbeit gemessen und notiert werden. Nach einer Sieben-Tage-Messung kann der jeweilige Durchschnitts wert für das Pferd ermittelt werden.“ Alarm, wenn die Ampel auf Rot steht Wurden diese Werte erfasst, kann sich der Pferdehalter grob an der Gesundheitsampel orientieren (siehe Tabelle S. 17). Die unter „grün“ angegebenen Werte bedeuten, dass es keine Auffälligkeiten gibt. „Gelb“ bedeutet, dass die Messung in kürzeren Zeitabständen wiederholt und die Entwicklung beobachtet werden sollte.„Rot“ ist das Stoppsignal und bedeutet, dass der Tierarzt gerufen werden muss. Generell können Abweichungen vom „grünen“ Bereich unterschiedlichste Gründe ha ben, wie Veronika Klein berichtet: „Sie können auftreten bei Belastung, Krankheit, aber auch bei Stress oder Aufregung und bei Temperaturanstieg – das heißt, wenn die Außen temperatur steigt. Und auch der Trainingszustand spielt eine Rolle.“ Vitalwerte sind keine Beweise Was sagen nun die Vitalparameter über das Vorliegen einer Atemwegserkrankung aus? Veronika Klein weist zunächst darauf hin, dass schon die Vielzahl der Erkrankungen die ser Art eine pauschale Antwort unmöglich macht. „Das Spektrum der Atemwegserkran kungen reicht von der Vereiterung der Nasennebenhöhlen über Equines Asthma, virale Infekte wie Herpes oder Influenza bis hin zu Pilzinfektionen der Luftsäcke, Lungenbluten oder Kehlkopfpfeifen. Je nach Erkrankung können alle Vitalparameter Hinweise auf ein Krankheitsbild geben. Im Umkehrschluss können sie aber auch bei anderen Erkrankun gen steigen oder fallen“, erklärt sie. Zudem können die Werte erhöht sein, ohne dass eine Erkrankung vorliegt – oder es liegt eine Atemwegserkrankung vor, ohne dass die Vital parameter auffällig sind. Die Tierärztin nennt ein Beispiel: „Bei geringgradigem Equinen Asthma (IAD) ist die Atemfrequenz in Ruhe nicht verändert. Erst unter Belastung treten die Symptome auf. Die Vitalwerte sind nur Hinweise, nie Beweise. Es gilt immer das gesamte Pferd anzuschauen und die Befunde in den Kontext zu setzen.“

Foto: www.slawik.com

Mehr über Dr. Veronika Klein erfahren Sie auf ihrer Internetseite www.kernkompetenz-pferd.de Informationen über Prof. Dr. Kerstin Fey finden Sie unter „Klinik für Pferde – Innere Medizin“ auf der Seite www.uni-giessen.de Lesetipps Kerstin Fey, Bernhard Ohnesorge, Monica Venner:„Krankheiten der Atmungsorgane“ in:„Handbuch Pferdepraxis“, Enke, 4. Auflage, 2016 Gilian Higgins:„Anatomie verstehen: Die Organe des Pferdes“, Kosmos, 2013 Horst Erich König, Hans-Georg Liebich:„Anatomie der Haussäugetiere“, Schattauer, 5. Auflage, 2012 figsten machten bei erwachsenen Pferden akute Infektionen und die Chronisch obstruk tive Bronchitis, international auch als Equines Asthma bezeichnet, Probleme. Doch das Feld der Atemwegserkrankungen ist noch weit größer, macht Kerstin Fey deutlich: „Es gibt – wenn auch seltener – eine Vielzahl weiterer Erkrankungen, die zum Teil zunächst ganz ähnlich aussehen können. Um eine korrekte Diagnose stellen zu können, sind oft umfangreiche und manchmal auch wiederholte tierärztliche Untersuchungen ein Muss.“ Der Pferdehalter kann, und das ist die gute Nachricht, immerhin einiges dafür tun, dass es gar nicht so weit kommt: „Viel Bewegung an der frischen Luft, die auch einmal zum tiefen Durchatmen führt, staubarmes Heu und Stroh und korrekt durchge führte Impfungen bei Pferden, die Kontakt zu stallfremden Tieren haben, tragen entscheidend dazu bei, dass das Atmungssystem gesund bleibt“, betont die Wis senschaftlerin. (Karin Ottemann)

16

17

DS 03/23

DS 03/23

Made with FlippingBook. PDF to flipbook with ease