Blick in "Wissensheft Atemwegserkrankungen"

Diagnostik

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Diagnostik: Spurensuche mit alter und neuer Technik

nis beteiligt oder fällt eine verstärkte Bauchatmung auf? Presst das Pferd die Luft ange strengt aus den Bronchien, wird die sogenannte Dampfrinne seitlich am Bauch sichtbar, ein deutlicher Hinweis auf eine fortgeschrittene Erkrankung. Wenn das Pferd bereits in Ruhe beim Atmen die Nüstern aufbläht, ist das ein klarer Hinweis auf Atemnot. Wichtig ist auch die Körpertemperatur, Fieber wäre ein Anzeichen für einen akuten Infekt. Die Atemfrequenz ist jedoch ein unzuverlässiger Wert. Sehr fitte Sportpferde oder sehr junge Tiere können trotz akuter Atemnot eine weitgehend normale Atemfre quenz aufweisen. Und ist die Frequenz erhöht, müssen auch andere Ursachen geklärt werden. Zum Beispiel die Außentemperatur: Womöglich versucht da einfach ein Ro bustpferd mit Rest-Winterfell seinen Körper herunterzukühlen. Thermoregulation läuft bei Pferden auch über die Atmung. Vielleicht hat das Pferd auch gerade Stress oder gar Schmerzen. „Ich habe auch Pferde mit Bauchschmerzen, die auffällig atmen“, sagt Julia Engels. Die Farbe der Schleimhäute gibt einen ersten Eindruck über die Sauerstoffversor gung. Wenn sie bläulich sind, fehlt dem Pferd wahrscheinlich deutlich Luft. Geschwolle ne Unterkieferlymphknoten weisen auf einen Infekt der oberen Atemwege hin. Abhören: Klassiker mit begrenzter Aussagekraft Der nächste Schritt ist das Abhören mit dem Stethoskop, medizinisch als Auskultation bezeichnet. Hier kann aber nur bewegter Schleim in den Bronchien als rasselndes Ge räusch erkannt werden. „Häufig sind die Veränderungen erst relativ spät hörbar“, so Ju lia Engels. Normal sei ein geringgradiges Einatemgeräusch, das Ausatmen sollte nicht hörbar sein: „Alles, was darüber hinausgeht, ist auffällig.“ Neben einer Verstärkung der Bronchoskopie: Endoskopische Untersuchung der Luftröhre und des oberen Bereichs der Bronchien, ggfs. Entnahme von Probenmaterial mittels Katheter Bronchoalveoläre Lavage: Spülprobe aus den Lungenbläschen Blutgasanalyse: Untersuchung des arteriellen Blutes auf den Gehalt an Sauer stoff und Kohlendioxid Röntgen: Abbildung des Lungenvolumens und möglicher Flüssigkeiten Ultraschall: Abbildung der Lungenoberfläche, Ausdehnung und Flüssigkeitsein lagerungen Biopsie: Gewinnung einer Gewebeprobe Allergietest: Nachweis der Immunreaktion mittels Blutuntersuchung oder Pro vokation einer Reaktion durch Aufbringen von Allergenen auf die Haut Diagnostik von Atemwegserkrankungen Anamnese: Abfragen von Symptomen, Vorgeschichte, Haltungs- und Nutzungs bedingungen Klinische Untersuchung: Allgemeine Untersuchung der Vitalparameter, Allge meinzustand Auskultation: Abhören der Lunge und Luftröhre mit dem Stethoskop Provokationstest: Druckausübung auf den Kehlkopf, um Husten auszulösen Perkussion: Abklopfen der Lungenregion

Die Diagnose einer Atemwegserkrankung ist komplex. Offensichtliche Symptome wie Husten und Nasenausfluss treten oft erst sehr spät auf. Dr. Julia Engels ist Fach tierärztin für Innere Medizin beim Pferd. Im Großraum München unterstützt sie mit ihrer mobilen Praxis auch Kollegen bei der weiterführenden Diagnostik. Aus ihrem Alltag kennt sie viele Fälle, bei denen das Problem buchstäblich sehr tief verbor gen liegt. Die erste Herausforderung bei der Diagnose besteht darin, überhaupt zu erkennen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ein gelegentliches „Anstoßen“ zu Beginn der Arbeit wird oft noch heruntergespielt. Aber selbst dieses oft verharmloste Symptom bleibt häufig aus: „Es gibt Pferde, die gar nicht husten“, berichtet Julia Engels. Also gilt es auch andere An zeichen wie vermehrten, weißlichen oder gelben Nasenausfluss oder eine veränderte Atmung ernst zu nehmen. Und natürlich jeden Husten, auch wenn er nur gelegentlich auftritt oder scheinbar von allein wieder nachlässt – denn bei einem chronischen Ver lauf ist auch das möglich. Obwohl äußerlich alles wieder ruhig erscheint, hat sich der Schleim in der Lunge so festgesetzt, dass die Atemwege vorerst nicht mehr akut gereizt werden. Manchmal gibt es überhaupt keine Symptome im Bereich der Atemwege, und erst eine verringerte Leistungsfähigkeit macht den Pferdebesitzer auf das Problem aufmerksam. Beim Reiten fällt vielleicht auf, dass das Pferd schneller als sonst „aus der Puste“ ist, we niger Lauffreude zeigt oder nach der Arbeit länger braucht, bis sich die Atmung beru higt. Manchmal fällt häufiges Schnauben zu Beginn der Arbeit auf. Vielleicht schwitzt das Pferd auch stärker. Aber gerade wenn kein Husten auftritt, sind die Atemwege nicht die erste Ursache, an die gedacht wird. Bei Pferden, die nicht viel leisten müssen, wie viele Freizeitpferde, wird eine Leistungsschwäche oft gar nicht bemerkt. Viele Pferde werden daher erst dann gezielt auf Atemwegsprobleme untersucht, wenn die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist und die Anzeichen deutlicher werden. Am Anfang stehen viele Fragen Gerade weil die Symptome so unklar sein können, beginnt Julia Engels ihre Diagnostik immer mit einer ausführlichen Anamnese.„Ich gehe gar nicht gleich an das Pferd heran.“ Stattdessen stellt sie viele Fragen: Wie sind die Haltungs- und Fütterungsbedingungen? Wie intensiv wird das Pferd bewegt? Welche Einstreu wird verwendet? Welche Sympto me treten auf? Gab es in der Vergangenheit Husten oder andere Krankheiten? Was hat der Haustierarzt bereits festgestellt – oder eben nicht? Sie hat nicht selten Fälle, in denen wiederholtes Abhören unauffällig war.

Die klinische Untersuchung nimmt das gesamte Pferd in den Blick. Natürlich die Atem frequenz und die Art der Atmung. Sind hier Rippen und Bauch im normalen Verhält

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