2/22: Blick ins Heft

Blick ins Heft "Der Reitersitz: Das Praxis-Heft!"

02/22 Juni 2022 bis September 2022

9,40 EUR (D) 10,30 EUR (A) 17,80 SFR (CH) 10,40 EUR (BeNeLux) 12,10 EUR (ES, I)

Der Reitersitz: Das Praxis-Heft!

Jahrgang XVIII | ISSN 1860-3963 ISBN 9783-981879438

Das Magazin zur Aus- und Weiterbildung von Reiter und Pferd www.dressur-studien.de | www.fair-zum-pferd.de

Liebe Leserinnen und Leser, das zweite Heft, das wir je herausgebracht haben, trug eben falls den Titel „Der Reitersitz“. Das war im Jahr 2005. Damals haben wir uns in erster Linie mit dem theoretischen Wissen darüber beschäftigt. Mit dem vorliegenden Heft liefern wir Ih nen eine ganze Reihe von praktischen Übungen, die Sie für Ihr Pferd„tragbar“ machen. In den vergangenen Jahren hat sich rund um den Reitersitz einiges Neues entwickelt – exemplarisch seien hier nur die Franklin-Bälle und das Neuro-Riding erwähnt. Beide Metho den sind extrem effektiv und verändern und verbessern tat sächlich im Moment der Anwendung den Sitz. Natürlich gibt es auch hier einen kleinen Wermutstropfen: Das einmalige Anwenden verspricht keine dauerhafte Veränderung. Die Wiederholung macht es aus. Also, überwinden Sie Ihren inne ren Schweinehund und machen Sie sich fit. Ihrem Pferd zu liebe!

Editorial

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihre Claudia Sanders

Der Reiter sitzt. Und das Pferd auch. Orgulloso und Claudia Sanders. Links das Edi torialbild zum Reitersitz-Heft im Jahr 2005 und rechts 2022. Foto links: Hedi Esch. Foto rechts: www.slawik.com

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Der Reitersitz: Das Praxis-Heft!

Editorial (Claudia Sanders)

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Der Sitz des Reiters: nahtlos mit dem Pferd verwachsen Der Blick in die Literatur (Cora von Hindte-Mieske) Wenn schief zum gefühlten„Gerade“ wird: Der schiefe Sitz und seine Korrektur (Imke Schlömer, Isabell Löbel) Dr. Josef Kastner: Die Tücken der kleinen Helferlein Eckart Meyners: „Die Pferde sind mein Leben geworden“ • Übungen„Das Sechs-Punkte Programm“ 28 Benjamin Werndl: Ein besserer Reiter für das Pferd – ohne Pferd 36 • Übungen DressurFit 38 Frauke Behrens: Bewegungstipps für Reiter im Alltag 46 • Übungen 49 Silke Hembes: Reiten in Balance erschreiten 52 Mit der Atmung zum besseren Sitz (Denra Dürr, Jule Ritschel) 56 8 14 20 24

Inhalt

Anja Beran: Beim Dressursitz kommt es auf die stabile Mitte an

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• Checkliste für Reiter

Isabelle von Neumann-Cosel: Der ideale Dressursitz Jochen Schumacher: „Der leichte Sitz braucht einen stabilen Unterschenkel“ Immer schön in Balance: Der Springsitz (Inga Wolframm)

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Guter Tölt erfordert ständiges Ausbalancieren (Sonja Waggershauser)

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Der Sitz in der Akademischen Reitkunst (Anna Eichinger) Der Sitz in der Gebrauchsreiterei: Damals und heute (Julia Thut)

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Wie Variationen beim Reiten das Sitzgefühl verändern (Helena Volmer)

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• Übungen

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Hilfsmittel beim Reiten: Kleine Dinge, große Wirkung (Janine Weber)

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• Übungen 91 Ein neues Sitzgefühl: Reiten mit Franklin-Bällen (Eckart Meyners) 95 • Übungen 98 Innere Bilder: Von Frodos Kettenhemd zu Katzenpfötchen (Anke Recktenwald) 100 Neuro-Riding: Ein guter Sitz ist auch Nervensache (Marc Nölke, Claudia Butry) 104 • Übungen 107

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Zum besseren Sitz mit Reitsimulatoren (Anja Schade)

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Neues aus der Wissenschaft: Kann ein Reiter „gut“ sitzen? (Dr. Diana Krischke)

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Allerlei

Serie: Das Auge schulen (Karin Link und Jan Nivelle)

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Fair zum Pferd-Campus-Programm

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Alles was Recht ist: Dürfen Pensionsställe einfach die Preise erhöhen? (Nils Michael Becker)

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Glosse Mr.P. & Me: Der Dorf-Sheriff

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Impressum

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Vorschau Heft 3/2022

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Foto Titelbild und Inhaltsverzeichnis: www.slawik.com Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38

Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jeweiligen Artikels.

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„Der Schüler muß noch ehe er zu Pferde kommt, seine Körperstellung und den Gebrauch seiner Glieder lernen. (...) Erst wenn ihm dies alles zu Fuße gelehret, erst dann kann man anfangen, ihn zu Pferde zu setzen.“ Ernst Friedrich Carl Christian Klatte (1774–1835)

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Foto: www.slawik.com

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Blick in die Literatur

Der Sitz des Reiters: nahtlos mit dem Pferd verwachsen

Geschmeidig, ungezwungen, elegant – ein guter Sitz zu Pferde ist nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern die Bedingung dafür, dass aus dem bloßen „Auf-dem Pferd-Sitzen“ Reiten werden kann. Die wichtigste Rolle spielt dabei die körperliche und psychische Losgelassenheit des Reiters, die es ihm ermöglicht, in den Bewe gungen des Pferdes sein Gleichgewicht zu finden und so das Pferd über den Sitz zu beeinflussen. Dass das Erreichen von Losgelassenheit und Gleichgewicht untrenn bar mit dem Sitzen auf dem dafür bestimmten Körperteil verbunden ist, zeigt ein Blick in die Literatur. Dass es „den korrekten Sitz“ gibt, darüber herrscht in der Literatur durch die Jahrhunder te hindurch weitgehend Einigkeit – nur eben veränderte sich im Laufe der Zeit die Auf fassung, wie dieser Sitz auszusehen habe. Der „korrekte Sitz“ war deshalb auch immer ein „Kind seiner Zeit“ – und auch das, was uns heute steif und unbequem vorkommen mag, war einmal ein Ideal, dem nachgeeifert wurde. So beschreibt Antoine de Pluvinel (1552–1620) in seinemWerk„L‘instruction du roy en l‘exercice de monter à cheval“ (1625, dt. „Neuauffgerichte Reut-Kunst“, 1670) den wäh rend der Renaissance üblichen„Spaltsitz“, bei dem der Reiter nicht auf dem Sitzbein, son dern auf dem Schambein sitzt: „Sehen Eure Majestät wol, wie er im Sattel sitzt, dass er solchen kaum berührt außer in der Mitte, sich hütend, damit er mit dem Unter-Leib den Effter nicht anrühre, und dadurch zu sitzen komme, dann man sich so auffrichtig im Sat tel halten muß, als stünde man mit den Füßen auf der Erde.“ Die Beine sind dabei fast ge rade und etwas nach vorn gestreckt: „E. M. nehmen auch wahr die Postur der Schenckeln welche er außsttreckt und mit dem Fuß gar fest in die Bügel tritt, (...). Die Fersen drückt er etwas niedrig, und wendet solche ein wenig außwerts, daß die Sohlen mögen gesehen werden.“ Dabei werden die Knie ans Pferd gedrückt („mit Gewalt geschlossen“), um sich solcherart überhaupt auf dem Pferd halten zu können: „dann es gewiß ist, daß diß das einzige Mittel sich auff dem Pferd fest zu halten, so fern man dem Leib sein recht Gegen gewicht gibt, wie die Notturft erfordert.“ Beim Sitzen auf dem Spalt ist das Anpressen der Knie tatsächlich die einzige Möglichkeit, in der Bewegung des Pferdes nicht aus dem Sattel zu rutschen – von der bei Guériniè re geforderten Losgelassenheit des Sitzes und damit der bequemen Haltung zu Pferde ist diese „Wäscheklammerpositur“ daher noch weit entfernt. In ganz ähnlichen Worten wie Pluvinel beschreibt auch der Herzog von Newcastle (1592–1676) in seinem Buch „Méthode et invention nouvelle de dresser les chevaux“ (1658, dt. „Neu-eröffnete Reit Bahn“, 1700) diese Sitzposition, wobei er noch nachdrücklicher fordert, keinesfalls auf dem Gesäß zu sitzen: „(...) so muß man sich auf die Gabel, oder Spaltung des Leibes, und nicht auf den Hinter-Theil setzen, als welchen die Natur scheinet gemacht zu haben, sich überal (ausgenommen nur nicht im Reiten) darauf zu setzen.“ Folgerichtig soll der Reiter den größtmöglichen Abstand zwischen sich und den hinteren Teil des Sattels bringen: „Sitzt man also im Mittel des Sattels, so muß man sich so viel wie möglich gegen den Sattel-Knopf hervor rucken, daß zwischen dem Gesäß und dem hintern Sattel-Bogen ein

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Blick in die Literatur

Der Sitz nach François Robichon de la Guérinière. Foto: cls

vier Finger breiter Raum bleibe; (...).“ Allerdings betont Newcastle ausdrücklich, dass der korrekte Sitz das wichtigste Mittel ist, um das Pferd zum richtigen Gehen zu veranlassen und damit ein untrüglicher Indikator für die reiterliche Fähigkeit: „Die rechte Sitzung ist (...) von so großer Wichtigkeit, daß es nur das eintzige ist, wodurch ein Pferd zum rech ten Gang gebracht werden kann, und das zierliche Sitzen, würcket mehr als alle andere Hülffen; (...) und bekenne ich frey, daß derjenige, welcher kein zierlicher Reuter ist, auch niemals ein guter Reuter seyn wird.“

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Blick in die Literatur

Damit bringt Newcastle einen Zusammenhang zur Sprache, der auch in den folgenden Jahrhunderten in der Reitliteratur ein Thema bleibt: der korrekte Sitz und das richtige Gehen des Pferdes sind unmittelbar miteinander verknüpft. Angesichts der Beschrei bung, wie dieser Sitz aussehen soll, scheint es allerdings erstaunlich, dass dem Herzog dabei die freie Beweglichkeit des Reiters ein Anliegen ist: „Ich habe aber gleichwol die Meinung nicht, daß er sich zu Pferde so starr als eine Statue, oder steinerne Säule, son dern viel mehr frey und ungezwungen erweisen solle; (...).“ Ob es sich im Spaltsitz und mit angepressten Knien„frey und ungezwungen“ sitzen lässt, sei dahingestellt und auch, ob das in der Weise gemeint ist, wie wir das heute verstehen. Dem Herzog ist dieser Punkt jedoch so wichtig, dass er ihn ausdrücklich anspricht. Für François Robichon de la Guérinière (1688–1751) , der sich in seinem Werk „École de Cavalerie“ (1733, dt. „Reitkunst oder gründliche Anweisung“, 1817) häufig auf New castle bezieht, mit dessen Ansichten er in vielen Dingen übereinstimmte, steht Unge zwungenheit als Grundvoraussetzung für einen guten Sitz tatsächlich an vorderster Stelle. Als einer der Ersten beschreibt er den Dressursitz, wie wir ihn heute kennen: „Der Kopf muss gerade und frei über den Schultern stehen, indem man zwischen den Ohren des Pferdes durchsieht; die Schultern müssen gleichfalls sehr frei und etwas nach hin ten zurückgezogen seyn, (...). Die Arme müssen bei dem Elnbogen gebogen und unge zwungen an den Leib gelegt werden, und natürlich auf die Hüften herunter sinken.“ Die Schenkel sollen „von dem Knie bis nach unten gerade und ungezwungen gehalten wer den, daß sie nahe am Pferde liegen, ohne es jedoch zu berühren (...). Die Ferse muß ein wenig niedriger, als die Spitze des Fußes stehen, jedoch nicht zu viel, weil dies sonsten den Schenkel steif erhalten würde.“ Aus dieser Beschreibung geht bereits hervor, dass der Reiter nicht mehr auf dem Spalt, sondern auf dem Gesäß sitzt, weil vom geraden und ungezwungenen Herabfallen des Unterschenkels ab dem Knie die Rede ist, was bedeutet, dass das Bein nicht steif gehal ten wird. Der Oberschenkel muss also seine natürliche Lage haben, wie es nur der Fall sein kann, wenn der Reiter auf dem Gesäß sitzt und den Oberschenkel dabei nicht an spannt – eine Haltung, die sich auch in den im Buch enthaltenen Abbildungen wider spiegelt. Immer wieder betont de la Guérinière die Ungezwungenheit als eine haupt sächliche Voraussetzung des guten Sitzes, ebenso wie die Notwendigkeit im Gleichge wicht zu sitzen, um in die Bewegungen des Pferdes eingehen zu können: „Ich verstehe durch einen schönen Anstand einen ungezwungenen Sitz, der mit einer geraden und freien Stellung verbunden seyn muß, (...). Bei allen Bewegungen des Pferdes muß man so viel als möglich in jenem richtigen Gleichgewicht bleiben, welches von dem wohl beob achteten Gegengewicht des Leibes abhängt (...).“ Das Sitzen im Gleichgewicht und ein losgelassener Sitz bedingen einander und sind in der Reitliteratur seit de la Guérinière deshalb dort, wo es um den korrekten Sitz geht, zentrale Themen. De la Guérinières Landsmann Louis-Charles Mercier Dupaty de Clam (1744–1782) erläutert in„Pratique de l‘équitation“ (1769, dt. „Theorie und Praktik der hö heren Reitkunst“, 1826) erstmals den Weg, wie dieses Gleichgewicht zu erreichen ist, in

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Blick in die Literatur

dem er den Begriff des Schwerpunkts ins Spiel bringt: „Nach den Grundsätzen, die wir in der Folge noch mehr in ein helles Licht setzen wol len, hat das Pferd, wenn es ins Gleichgewicht gesetzt ist, einen Schwerpunct, in welchem alle Schwere und auch alle Kräfte vereinigt sind. (...) Auf diesen Punct muss sich der Mensch setzen.“ Der Mensch muss also seinen Schwerpunkt mit dem des Pferdes überein bringen: „Alle Körper haben ihren Schwerpunct, der Mensch wie das Pferd, alle sind nach einer senkrechten Linie ge richtet. Diese Linien müssen aufeinander gesetzt werden, jedoch so, daß die Richtung der Schwer puncts-Linie des Menschen nicht mit der Kraft seines Körpers vermischt werde, (...).“ Auch wenn Dupaty de Clam die Begriffe Ungezwungenheit oder Losgelassenheit nicht ausdrücklich ver wendet, geht aus dem letzten Satz hervor, dass das Sitzen im Schwerpunkt – also im Gleichge wicht – von der Aufwendung von Muskelkraft unabhängig sein muss und insofern Losgelas senheit des Sitzes bedingt. Weitergeführt und um weitere Aspekte ergänzt wird dieser Gedankengang im 19. und 20. Jahr hundert unter anderem von Gustav Stein brecht (1808–1885) und Waldemar Seunig (1887–1976), wo es um den Begriff des Norm sitzes und damit um die Frage geht, ob der Sitz des Reiters in jeder Hinsicht der Definition des Dressursitzes und damit einer bestimmten äu ßeren Form entsprechen muss, um „korrekt“ zu sein. Dieses Thema hatte zuerst an Bedeutung gewonnen, als sich mit dem Aufkommen des Spring- und Vielseitigkeitsreitens als sportliche Disziplinen der Entlastungssitz und der leichte Sitz aus dem Dressursitz entwickelten, die bei de deutlich von dessen äußerer Form abwichen. Sowohl für Steinbrecht als auch für Seunig ist der Maßstab für Korrektheit einzig das Sitzen im Gleichgewicht, das ja auch mit kürzeren Bügeln und einer veränderten Position von Oberkörper und Beinen ohne Weiteres möglich ist, selbst wenn sich das Gesäß nicht im Sattel befindet.

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So schreibt Steinbrecht in „Das Gymnasium des Pferdes (1884): „Einen normalen Sitz zu Pferde (...) gibt es gar nicht, denn der Reiter sitzt nur dann richtig zu Pferde, wenn der Schwerpunkt, oder vielmehr die Schwerpunktslinie seines Körpers mit der des Pferdes zusammenfällt. (...) Da aber der Schwerpunkt des Pferdes nach seiner verschiedenen Hal tung und Richtung sehr verschieden verlegt werden kann, so muß sich danach auch die Richtung des Reiters jedesmal ändern. (...) Der sogenannte normale Sitz wird erst zum schönen und eleganten, wenn das ins richtige Gleichgewicht gerichtete Pferd seinen Reiter selbst darin versetzt hat.“ Der Reiter kann mit seinem Sitz also sehr wohl Einfluss auf das Pferd nehmen, doch die größere Masse bewegt nach wie vor die kleinere. Ohne dass der Reiter zuerst das Pferd ins Gleichgewicht bringt, bleibt noch so„schönes“ Sitzen eine reine„Formsache“. Noch differenzierter analysiert es Waldemar Seunig in„Von der Koppel bis zur Kapriole“ (1943): Der Normalsitz„ist derjenige Sitz, in welchem es der Reiter erstens am leichtesten möglich ist, die eigene Gewichtsverteilung mit der Gleichgewichtshaltung des Pferdes in Einklang zu bringen, die durch oft blitzschnell wechselnde Bewegungsenergie und Bewegungsrichtung bedingt wird; zweitens derjenige Sitz, in welchem es dem Reiter am längsten möglich ist, bei richtiger Bewegung und Haltung des Pferdes, ohne nennens werte Anstrengung, (...) auszudauern. (...) Diesen beiden Forderungen (...) trägt der Nor malsitz auf geradezu ideale Weise Rechnung – immer ein Pferd vorausgesetzt, das auf nahezu ebenem Boden im Gleichgewicht, d.h. in Selbsthaltung ohne zu eilen oder sich zu verhalten, geht.“ Im Umkehrschluss bedeutet das: Der korrekte Sitz ist nicht nur der, durch den (wie Her zog Newcastle es ausdrückt) „das Pferd zum rechten Gang gebracht werden kann“, son dern auch der, der sich der in der Bewegung des Pferdes ständig verändernden Gleich gewichtssituation so anpasst, dass er eben dieses volatile Gleichgewicht nicht stört, in dem er die eigene Losgelassenheit bewahrt. Darüber, dass Losgelassenheit und Gleichgewicht die wichtigsten Kriterien eines guten Sitzes sind, herrscht in der Literatur Einigkeit. Hingegen scheiden sich die Geister an der Frage, ob beides die Bedingungen für einen guten Sitz oder aber vielmehr sein Resultat sind, sprich: Muss ein Reitschüler von vornherein losgelassen und ausbalanciert im Sattel sitzen, um einen guten Sitz ausbilden zu können, oder entwickeln sich Losgelassenheit und Gleichgewicht erst, wenn der Schüler der Form nach korrekt im Sattel sitzt? Hans v. Heydebreck (1836–1935) spricht sich in „Reitlehrer und Reiter in Uniform und Zivil“ (1928) dagegen aus, den Reitschüler von Anfang an „richtig“ hinzusetzen: „Ein un gezwungener Sitz wird am besten dadurch erreicht, dass man den Reiter ganz natürlich sitzen lässt und nur darauf hält, dass er sich breit auf das Gesäß niederlässt. Die Beine sol len aus dem losgelassenen Hüftgelenk ganz natürlich herunterhängen. Grundfalsch ist es, einen Anfänger von vornherein in die Form des vorschriftsmäßigen Sitzes pressen zu wollen. Erst völlige Losgelassenheit – dann vorschriftsmäßige Körperhaltung!“

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