Blick: 01_2023

Ein Blick in unser Heft 1/2023

01/23 | Ausgabe 69 März 2023 bis Juni 2023 9,40 EUR (D)

Campus

Das Exterieur: Beurteilenund passendgymnastizieren

DAS AUGE SCHULEN

SERIE

MIT WISSEN UND FREUDE AUSBILDEN!

Jahrgang XIX | ISSN 1860-3963 | ISBN 9783-9818794-83 dressur-studien.de | fair-zum-pferd.de

ABONNIEREN SIE UNS!

MIT UNSEREM ABONNEMENT ERHALTEN SIE ZWEI HEFTE AB 24,00 EURO PRO JAHR!

JETZT BESTELLEN: WWW.FAIR-ZUR-FELLNASE.DE +49(0)2688/988 6538

Orgulloso. Foto: www.slawik.com

Liebe Leserinnen und Leser,

wir haben uns endlich getraut und unserem Heft gemeinsam mit Grafikerin Eva Eisenzopf von rheingold.design ein neues Gesicht verpasst! Und das Beste da ran: Unser Logo ist kein langweiliger, abstrakter Pferdekopf, sondern das stolze Profil meines Herzenspferdes Orgulloso. Nach nur 19 Jahren bin ich endlich auf diese grandiose Idee gekommen – besser spät als nie, oder? Inspiriert wurden wir dabei übrigens von dem wunderschönen Foto von Christiane Slawik, das Sie hier oben auf der Seite finden. Aber das war noch nicht alles: Wir haben auch das Heft-Layout aufgepeppt. Neue Rubrik-Grafiken und moderate Änderungen von Eva sorgen für frischen Wind und lassen das Heft noch schöner aussehen. Wie gefällt Ihnen unser neu es Logo und Design? Ich freue mich über Ihr Feedback an claudia.sanders@dressur-studien.de. Inhaltlich finden Sie im Heft alles, was Sie brauchen, um Ihr Pferd gesund zu gymnastizieren, wenn es Exterieurmängel hat. Denn: Wer ist schon perfekt? Ohnehin zählt ja auch die innere Größe und der Wille unserer Pferde, mit uns zusammenzuarbeiten. In diesem Sinne:

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihre Claudia Sanders

3

DS 01/23

Das Exterieur: Beurteilen und passend gymnastizieren

Editorial (Claudia Sanders)

3

Korrekt gebaut – aber nicht leistungsbereit? Exterieurbeurteilung und warum sie nicht alles ist (Dr. Thomas Nissen) 8

Vorwärts mit dem leichten Genick (Richard Hinrichs, Christoph Hess) 20 Vom leichten Genick zum falschen Knick (Christiane Horstmann) 25 Hoher Halsaufsatz: Wenn das Dehnen der Oberlinie schwerfällt (Dr. Adriane Mack, Jan Nivelle) 29 Tiefer Halsaufsatz: Wenn Pferde in den Boden laufen (Jörg Bös, Adriane Mack) 34 Die steile Schulter: Wenn das Tragen schwerfällt (Tanja Richter, Jan Nivelle) 39 Zwischen hoch und flach: Der Widerrist (Barbara Welter-Böller, Isabelle von Neumann-Cosel) 44 Der Rücken: Auf die Länge kommt es durchaus an (EberhardWeiss, Tamina Pinent) 50 Da hängt doch was: Der Senkrücken (Barbara Welter-Böller, Isabelle von Neumann-Cosel) 60 Rund um die Lende: Was alles abweichen kann (Helle Katrine Kleven, Julia Mestern) 64 Im Blick: Flache und steile Kruppe (Chris Debski, Marvin Vroomen) 76

Das Hinterbein und seine Winkelungen (Helle Katrine Kleven, Julia Mestern)

85

Stabilisieren statt mobilisieren: Training mit hypermobilen Pferden (Sabine Ellinger) 94 Motorik und Körperhaltung lesen lernen: Training bei ECVM (Ute Heescher) 103

4

DS 01/23

Allerlei Neues aus der Wissenschaft: Das Exterieur in der Tierzuchtwissenschaft (Dr. Diana Krischke)

111 114 124 126 128 129 130

Serie: Das Auge schulen (Karin Link und Jan Nivelle)

Fair zum Pferd-Campus-Programm

Alles was Recht ist: In China sind blaue Reitpferde eine große Mode (Nils Michael Becker)

Glosse Mr.P. & Me: Nur eine Frage!

Impressum

Vorschau Heft 2/2023

Foto Titelbild und Inhaltsverzeichnis: www.slawik.com Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38 Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jeweiligen Artikels.

5

DS 01/23

Foto: www.slawik.com

6

DS 01/23

7

DS 01/23

Exterieurbeurteilung Korrekt gebaut – aber nicht leistungsbereit? Exterieurbeurteilung und warum sie nicht alles ist Ein korrektes Exterieur ist nicht nur ein Schönheitsideal. Es spielt auch eine wichti ge Rolle für Funktionalität und Gesunderhaltung des Pferdes. Bei der Exterieurbe urteilung werden zahlreiche einzelne Merkmale bewertet. Dennoch sollte der Blick auf das große Ganze nie verloren gehen. In den 32 Jahren seiner Tätigkeit als Zuchtleiter und Geschäftsführer des Holsteiner Ver bandes hat Dr. Thomas Nissen unzählige Pferde gesehen und beurteilt. Inzwischen ist der Agraringenieur zwar im Ruhestand, aber als Tierwohlbeauftragter weiterhin im Ver band aktiv. Bei der Exterieurbeurteilung ist ihm etwas Grundsätzliches wichtig: „Nichts ist schlimmer als Fehlerguckerei. Das perfekte Pferd gibt es nicht. Pferdebeurtei lung ist immer ein Abwägen von Vor- und Nachteilen, wobei ich berücksichtigen muss, in welchen Ausprägungen Abweichungen vom Ideal auftreten und wie schwer sie wiegen. Dazu gehört viel Erfahrung. Keinesfalls sollte sich der Beurteilende gleich auf die vermeintlichen Fehler stürzen. Ich muss das Pferd erst einmal auf mich wir ken lassen – und beginne dann, die positiven Merkmale herauszustellen. Wenn ich ein Pferd beurteile, versuche ich grundsätzlich, mich nicht zu sehr in Einzelheiten zu verlie ren.“ Ein Blick auf das Gesamtbild liefert bereits wichtige Erkenntnisse, für die kein Maß band angelegt werden muss, macht er deutlich: „Das Bild soll in allen Proportionen stim mig sein.“ Er erklärt auch, warum das Exterieur nicht die wichtigste Rolle bei der Beurteilung ei nes Pferdes spielt: „Die letzte Korrektheit braucht ein Pferd nicht, denn wenn es um Leistungsfähigkeit geht, spielt sich das meiste im Kopf ab. Die ganz großen Beschä ler waren alle keine Exterieurpferde. In der Zucht ist es notwendig, hier auch Kompro misse zu machen. Sonst haben wir schöne Pferde, die aber keine Leistung bringen.“ Ganz unbedeutend ist das Exterieur eines Pferdes dennoch nicht. Die angesprochenen Kom promisse beziehen sich nur auf kleinere Abweichungen vom Ideal, schränkt Thomas Nis sen ein: „Grobe Exterieurfehler sind nicht erwünscht, denn sie führen in vielen Fällen zu vorzeitigemVerschleiß. Dennoch möchte ich noch einmal betonen: Viel wichtiger als das Exterieur ist das Interieur.“ Grundsätzliches zur Beurteilung Bei der Beurteilung eines Pferdes werden zuvor festgelegte Merkmale mit Noten von 1 bis 10 bewertet. „Wir beurteilen bei uns in Holstein sieben Merkmale: den Typ, die Oberlinie, die Vorhand, die Hinterhand sowie die drei Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp“, sagt Thomas Nissen. Möglich ist auch eine Unterteilung in Vor-, Mittel- und Hinterhand. „Mit diesen sieben Merkmalen kann ich ein Pferd schon gut beschreiben. Da der Züchter oder Pferdehalter aus deren Benotung allein aber nicht ersehen kann,

8

DS 01/23

worin genau die Gründe für einen Notenabzug liegen, nehme ich auch eine systemati sche Beschreibung vor“, führt Thomas Nissen aus. Dabei handelt es sich um eine nahezu wertfreie Beschreibung, welche biologische Variation des jeweiligen Merkmals vorliegt. Von einem Mittelwert ausgehend werden Abweichungen nach oben oder unten fest gestellt. „Das dient nicht nur der Beschreibung, sondern ist auch hilfreich, wenn es um die Nachkommenbeurteilung von Hengsten geht“, erläutert Thomas Nissen. Das Pferd wird zunächst im Stand beurteilt und anschließend im Schritt und im Trab vorgeführt – stets auf festem, ebenem Boden. „Das vorgeführte Pferd wird nicht nur visuell auf Takt sicherheit und Raumgriff beurteilt. Ich kann auch hören, wie lang die Schritte oder Tritte sind und damit die Übersetzung beurteilen. Eine große Übersetzung bedeutet, dass das Pferd mehr Schwung entwickeln kann“, erklärt Thomas Nissen. Eine weitere Bewertung der Grundgangarten findet danach im Freilauf statt. Schwer oder leicht – eine Typfrage Als Erstes macht sich der ehemalige Zuchtleiter ein Bild davon, welchen Typ Pferd er vor sich hat. „Hier unterscheiden wir in der Reitpferdezucht die edleren Typen, die mehr im Vollbluttyp stehen, die mit etwas mehr Substanz ausgestattetenWarmbluttypen und die schweren Warmblüter. Die Übergänge sind fließend“, so der Zuchtexperte Hengste und Stuten unterscheiden sich in der Typausprägung. Der Hengst ist meist ins gesamt kräftiger und athletischer gebaut, mit stärkeren Gelenken und ausgeprägter Be- „Ein nahezu perfektes Exterieur zeigt dieser Holsteiner Junghengst, Uno I, bei seiner Körung. Das ausdrucksstarke Ge sicht mit dem klaren und großen Auge ist ein besonderes Typmerkmal. Die hervorragend angesetzte und gut bemuskel te Halsung geht mit einem langen Widerrist in die Rückenpartie über. Der Rücken zeigt sich hier als ideal geformte Brü cke zwischen Vor- und Hinterhand. Die leicht abfallende Kruppe und die gute Hinterhand runden das harmonische Bild des Junghengstes hervorragend ab. Die Gliedmaßenstellung beim Fundament ist korrekt und unterstreicht die Qualität des Pferdes“, sagt Experte Thomas Nissen. Foto: Holsteiner-Verband.

9

DS 01/23

Exterieurbeurteilung

„Ein mit kräftigem Körper ausgestatteter, kalibriger Warmblüter in kompaktem Format. Die Halsung ist kurz und weist eine starke, etwas tief angesetzte Bemuskelung auf“, so Thomas Nissen. Foto: www.slawik.com

muskelung, die insbesondere am Hals deutlich erkennbar ist. „Das ist schon beim Jung hengst zu sehen. Der Hengst ist ausdrucksstärker, sein Auftritt wirkt spektakulärer als der einer Stute. Wohl deshalb sind Hengstschauen immer besser besucht als Stutenschau en“, berichtet Thomas Nissen. Stuten seien im Vergleich meist etwas feingliedriger und eleganter. „In der gesamten Typausprägung ist die Stute weiblicher, angefangen am Kopf über den Hals bis zum Rest des Körpers. Sie wirkt nicht so spektakulär. Der weibliche Typ kommt vielmehr dadurch zum Ausdruck, dass die Stute Gelassenheit ausstrahlt“, so der Experte. Auf Korrektheit werde aber bei beiden Geschlechtern gleichermaßen geachtet. Die Oberlinie Die lineare Beschreibung beginnt am Kopf. Hier wird festgestellt, ob das Pferd zum Bei spiel große oder kleine Augen, eine breite oder schmale Stirn, große oder kleine Ohren hat und ob die Nasenlinie konkav oder konvex ist. „Beim Reitpferd ist ein ausdrucksstar ker und trockener Kopf, eher mit einer Tendenz zum Hechtkopf als zum Ramskopf, mit einem großen, ruhigen Auge gewünscht. Das Auge lässt schon wichtige Rückschlüsse auf den Charakter zu“, so Thomas Nissen. Dass er sich die Ohren lieber etwas größer als kleiner wünscht, hat nicht nur optische Gründe. „Leistungspferde haben oft größere Oh ren“, weiß der Experte zu berichten. Warum das so ist, darüber kann er allerdings auch nur spekulieren.

10

DS 01/23

Exterieurbeurteilung

„Ein leichter, sehr eleganter Typ, der auf einen hohen Vollblutanteil schließen lässt. Das ausdrucksstarke Gesicht, die lange Halsung mit der für den Reitsportgebrauch etwas zu tief angesetzten Halsbemuskelung und dem hervorragend ausgeprägten Widerrist sind klassische Merkmale des Blüters. Das Fundament ist leicht und passend zum Körper. Das Hinterbein weist wenig Winkelung im Sprunggelenk auf.“ Foto: www.slawik.com

Gewünscht ist zudem ein leichter Übergang vom Kopf über das Genick in die Halsung. Die Ganaschen sollten nicht zu stark sein. „Das Pferd kommt dann leichter in die Anleh nung; das ist eine Frage des Reitkomforts“, erklärt Thomas Nissen. Damit einhergehen sollte eine geschwungene Halsung mit guter Bemuskelung unterhalb des Mähnen kamms. Der Hals soll eine gewisse Länge haben, aber auch nicht zu lang sein und har monisch in den Rücken übergehen. Eine gute Sattellage ist gekennzeichnet durch einen deutlich erkennbaren Widerrist, der lang in den Rücken ausläuft. Die Frage, wie der idea le Rücken aussehen sollte, ist nicht ganz so einfach zu beantworten. „Ein Reitpferd soll, so sagt es die Exterieurlehre, im Rechteckrahmen stehen und nicht im Quadrat. Die Län ge des Rechtecks kann natürlich variieren. Nach meiner Erfahrung ist ein etwas länge rer Rücken nicht unbedingt von Nachteil, was die Leistungsfähigkeit betrifft. In Holstein haben wir häufig Pferde mit einem längeren, weicheren Rücken. Er hat den Vorteil, mehr zu schwingen als ein kurzer. Das vermittelt dem Reiter ein angenehmeres Sitzgefühl“, so Thomas Nissen. Zu lange Rücken sind allerdings auch nicht erwünscht – wenngleich es Pferde gibt, die trotz dieses Mankos große Leistungen im Sport bringen. „Hier zeigt sich wieder, dass die Einstellung, der Willen zur Mitarbeit, höher zu bewerten ist“, sagt Tho mas Nissen. Bei Dressurpferden ist ein zu langer Rücken dennoch unerwünscht, weil er die Versammlung erschwert.

11

DS 01/23

Exterieurbeurteilung

„Ein eleganter Warmblüter, der die Einkreuzung des Vollblüters erkennen lässt. Dieses Pferd ist bergauf konstruiert und verfügt über ein ausdrucksstarkes Gesicht, eine ideal bemuskelte Halsung von genügender Länge sowie einen gut aus geprägten Widerrist mit bester Sattellage. Der übrige Körper ist harmonisch, und in Verbindung mit dem korrekten Fun dament ist eine Veranlagung für den Reitgebrauch gut erkennbar“, beschreibt Thomas Nissen. Foto: www.slawik.com

Die Nierenpartie bildet die Anbindung des Rückens an die Hinterhand. „Sie sollte deut lich erkennbar und gut bemuskelt sein, denn hier wird die Kraft der Hinterhand mitent wickelt. Die Nierenpartie sollte harmonisch in die Kruppe übergehen“, sagt Thomas Nis sen. Die Kruppe wünscht er sich nicht zu flach – anders als beim Araber, bei dem eine geradere Kruppe und der damit verbundene hohe Schweifansatz ein Rassemerkmal ist. „Das möchten wir in der Reitpferdezucht nicht. Hier sollte die Kruppe lieber schräger sein. Pferde mit schräger Kruppe haben in der Regel eine gute Galoppade. Wir sehen das bei Pferden mit hohem Vollblutanteil, die Rennen laufen oder im Vielseitigkeitssport gehen.“ Damit einhergehen soll ein gut getragener Schweif, der weder eingeklemmt ist noch schief getragen wird. Letzteres kann auf Verspannungen hindeuten. Die Vorhand Der Hals sollte nicht zu tief aufgesetzt sein, also nicht zu weit unten aus dem Rumpf herauskommen. „Tief aufgesetzte Hälse sind oft kurz und haben eine Tendenz zum Un terhals. Damit verbunden ist meist wenig Ganaschenfreiheit. Ein solcher Hals bringt zwangsläufig Anlehnungsprobleme mit sich“, fasst Thomas Nissen zusammen. Ge wünscht ist vielmehr ein Hals, der harmonisch und auch nicht zu steil aus der Schulter und dem Rumpf herauskommt und sich nach oben hin verjüngt. „Beim Dressurpferd ist

12

DS 01/23

Made with FlippingBook - Online catalogs