2024_04_Blick

Soziale Medien

es Handlungsalternativen gäbe, die weniger Stress auslösen. Etwa, die Übung in kleinere Schritte aufzuteilen, damit das Pferd die Aufgabe besser versteht. Die Stresssignale zu erfassen sei allerdings nicht einfach, räumt Michelle Strelow ein. Sie achtete in ihrer Stichprobe auf klassische Anzeichen wie eine angespannte Maulpartie, einen hohen Muskeltonus und dreieckige Augen – wobei auch diese kein eindeutiges Signal seien: „Extrem runde Augen können zum Beispiel auch auf Stress hindeuten, das ist dann ein Beschwichtigungssignal.“ Gerade Beschwichtigungssignale werden oft nicht wahrgenommen, hat Michelle Strelow festgestellt. Dazu gehören auch das Absenken des Kopfes und das Lecken und Kauen. „Da haben wir gelernt, das sei etwas Gutes.“ Dabei diene diese Handlung oft dazu, Stress abzubauen und zu ver arbeiten. Ein klares Bild ergibt sich nur im Kontext Um genug Kontext zur Bewertung zu haben, nutzte Michelle Strelow vor allem längere Videos. Denn allein der Blick auf das Pferd war zur Beurteilung zu wenig, die gesamte Situation wurde ausgewertet. Besonders häufiger Stressauslöser sei Druck, etwa beim Wegschicken in der Freiarbeit, Gerten- und Peitscheneinsatz oder zu schnelle Konfronta tion mit Furcht auslösenden Objekten. „Grundsätzlich sind es Situationen, in denen sich der Mensch groß und stark macht, um das Pferd zu etwas zu bewegen.“ Es sei meistens ein„Zuviel“, um schnell ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Es gab aber nicht nur falsche Einschätzungen. Viele Beitragsersteller – gerade die Laien – seien sehr selbstkritisch gewesen und hätten das Unwohlsein des Pferdes durchaus gesehen und auch benannt. Etwa die Hälfte der Stresssituationen wurden erkannt, vor allem sehr deutliche Signale der Pferde.„Manche Trainer und Reiter zeigen bewusst auch solche Sequenzen und erläutern, was daran schlecht war“. Das sei von den Followern dieser Accounts gut angenommen worden. Allerdings sei auch deutlich die „Bubble“ in den sozialen Medien erkennbar: Follower von Accounts, die stressbehaftete Trainings Szenen positiv bewerteten, waren weniger kritisch als die Community von selbstkriti schen Content-Erstellern. Und weniger Selbstkritik, dafür aber positive Erklärungen für unschöne Bilder gab es öfter bei Profis, die im Netz ihre eigene Methode vermarkten, berichtet Michelle Strelow. Jeglichen Stress im Training zu vermeiden, fordert Michelle Strelow als Fazit ihrer Arbeit nicht:„Stress ist etwas, das wir zum Lernen brauchen. Aber es muss eine klare Grenze ge setzt werden, wann es zu viel ist.“ Sie nutzt zur Überprüfung den „vernünftigen Grund“ nach dem Tierschutzgesetz: „Ist das Maß an Stress noch verhältnismäßig für das, was ich erreichen will? Und gibt es möglicherweise eine Alternative, um das zu erreichen?“ Wich tig sei, genau hinzusehen:„Sieht mein Pferd glücklich aus? Sieht es so aus, wie ich es ge wohnt bin?“ Dafür helfe es auch, sich selbst bei der Arbeit mit dem Pferd zu filmen, um selbst den Blick von außen zu haben. Den Blick immer wieder schulen Den Blick zu schulen ist das Ziel von Steffi Spielhaupter mit ihrem Instagram-Account „Science for Soundness“. Dort zeigt sie regelmäßig Videos von Pferden in unterschied

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