Vorschau Heft Rahmenerweiterung

02/21 Juni 2021 bis September 2021

8,90 EUR (D) 9,80 EUR (A) 17,80 SFR (CH) 9,90 EUR (BeNeLux) 11,60 EUR (ES, I)

Das Praxis-Heft: Rahmenerweiterung!

Blickschulungmit AnjaBeran

DiealtenMeister und dieRahmenerweiterung

EckartMeyners: Der Reitersitz bestimmt denRahmen

PraktischeTipps von: Anabel Balkenhol BenjaminWerndl

MiraSemelka SabineEllinger RichardHinrichs

Jahrgang XVII | ISSN 1860-3963

Das Magazin zur Aus- und Weiterbildung von Reiter und Pferd www.dressur-studien.de | www.fair-zum-pferd.de

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NOIR

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JEDER RUF NACH FREIHEIT VERDIENT EIN ECHO.

Fotos für die Pressefreiheit 2021 Unabhängiger Fotojournalismus und unabhängige Berichterstattung sind von fundamentaler Bedeu- tung für unsere Freiheit. Reporter ohne Grenzen setzt sich für Informationsfreiheit ein, hilft verfolg- ten Journalistinnen und Journalisten, übernimmt Anwaltskosten und ersetzt zerstörte Ausrüstung. Helfen Sie uns zu helfen und bestellen Sie das neue Fotobuch: reporter-ohne-grenzen.de/shop Eine junge Frau umarmt demonstrativ einen Soldaten – als Zeichen gegen die staatliche Gewalt. Die belarussische Fotografin Violetta Savchits hat 2020 in ihrem Land dokumentiert, wie Tausende friedlich gegen Machthaber Alexander Lukaschenko protestierten. © Violetta Savchits

Liebe Leserinnen und Leser, auf der Suche nach dem richtigen Bild einer idealen Rahmen- erweiterung und Trabverstärkung braucht es viel Geduld und gute Nerven. Die Nase vor der Senkrechten, der Vorderfuß zeigt dahin, wo die Nase hinzeigt, die Diagonale ist nicht ge- brochen, der Rücken trägt und das Pferd ist bitte ein Rücken- gänger – das sollte doch zu finden sein. Aber offenbar haben sich die (Richter-)Augen schon so sehr daran gewöhnt, dass die Vorderbeine exaltiert strampeln und die Hinterhand weit hinausschiebt, dass solche falschen Bilder mittlerweile der Standard und nicht die beklagenswerte Ausnahme sind. Dabei ist dieses Gestrampel alles andere als gesund für das Pferd. Dieser Marionettentrab verschleißt das Pferd. Und das kann und darf doch nicht der Sinn einer Dressurausbildung sein! Doch keine Sorge: Ich höre jetzt auf zu zetern. Konzentrieren wir uns doch lieber auf das Positive: wie die Rahmenerweite- rung und damit auch die Verstärkungen so geritten werden können, dass es nicht nur ein Augenschmaus für die Betrach- ter, sondern auch gesund für das Pferd ist.

Editorial

In diesem Sinne: Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihre

Claudia Sanders

Na, ein wenig weiter ginge schon? Orgulloso, Claudia und Tom Sanders. Foto: privat

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Das Praxis-Heft: Rahmenerweiterung!

Editorial (Claudia Sanders)

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Um was es geht: Definition Rahmenerweiterung (Cora von Hindte-Mieske) 8 Biomechanik: Ein langer Hals macht noch keine Rahmenerweiterung (Michaela Wieland, Katrin Obst) 10 Die alten Meister und die Rahmenerweiterung: Blick in die Literatur (Cora von Hindte-Mieske) 16 Blickschulung mit Anja Beran 22 Wenn das Exterieur natürliche Grenzen setzt (Barbara Welter-Böller, Tine Hlauscheck) 32 Die Rahmenerweiterung als Leistungsbooster im Training (Uta Gräf ) 38 Rahmenerweiterung am Boden erarbeiten (Alfons Dietz) 42 Rahmenerweiterung und Schubkraft in der Akademischen Reitkunst (Bent Branderup) 48 Eckart Meyners: Der Reitersitz bestimmt den Rahmen 50 Anabel Balkenhol: Rahmenerweiterung als Prüfstein 56 Übung: Tempivariationen auf der Zirkellinie 60 Übung: Bauchige Linien für die Rahmenerweiterung im Schritt 62 Übung: Trabstangen für einen mitschwingenden Rücken 64 BenjaminWerndl: „Gemeinsame Balance ist der Erfolgsfaktor“ 66 Übung: Reiterfitness mit Hüftbrücke 68 Übung: Galoppieren im wechselnden Rahmen 70 Übung: Rahmenerweiterung im Tempoübergang 72 Mira Semelka: Rahmenerweiterung in der Ecole de Légèreté 74 Übung: Zügelkämmen 76 Übung: Betont seitliche Biegung 77 Übung: Tritte verlängern und verkürzen mit Trabstangen 80 Sabine Ellinger: Im Dialog mit dem Pferd 82 Übung: Fühlen lernen: Wie tief ist tief genug? 84 Übung: Erste Tempiverstärkungen auf dem Zirkel 86 Übung: Motivations- und Krafttraining im Gelände 88 Richard Hinrichs: Rahmenerweiterung als Suchtmittel 90 Albrecht´sche Übung 92 Übung: Schlangenlinien im Schulterherein 94 Übung: Schlangenlinien mit Zulegen 96 MartinaWeteschnik: Der Rahmen in der Working Equitation 98 Übung: Rahmenerweiterung mit Trabstangen 100 Übung: Schulterherein voraus 102 Übung: „Zündung aktivieren“ mit Übergängen 104

Inhalt

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Ann Katrin Querbach: Rahmenerweiterung in positiver Spannung

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Übung: Zum tänzelnden Trab Übung: Volle (Schub-)Kraft voraus Übung: Der Tanz über die Stangen

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Allerlei

Serie: Das Auge schulen (Karin Link und Jan Nivelle)

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Fair zum Pferd-Campus-Programm

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Alles was Recht ist: Boxenentgelt in der Pandemie (Nils Michael Becker)

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Glosse Mr.P. & Me: Von Blümchenwiesen und Einhörnern

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Impressum

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Vorschau Heft 3/2021

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Foto Titelbild und Inhaltsverzeichnis: www.slawik.com Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38 Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jeweiligen Artikels.

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Lassen Sie das Bild ruhig länger auf sich wirken. Das ist eine wunderbare und pferdegerechte Rahmenerweiterung in der Verstärkung – ohne zir- zensisches und ungesundes Gestrampel. So soll es aussehen! Das Foto zeigt die leider schon verstorbene Dressurreiterin Margit Otto-Crépin mit Corlandus im Jahr 1986. Foto: Jacques Toffi.

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Definition Umwas es geht: Definition Rahmenerweiterung

Der Begriff der Rahmenerweiterung begegnet den meisten Reitern wohl zum er- sten Mal, wenn es um Verstärkungen im Trab und Galopp geht. Nicht umsonst ge- hören diese zu den spektakulärsten Lektionen: Es sieht einfach toll aus, wenn das Pferd in maximaler Streckung sein volles Bewegungspotenzial ausschöpft und mit längstmöglichen Tritten oder Sprüngen „Meter macht“. Richtig ausgeführt, wirkt das Ganze auf den Betrachter am Boden so harmonisch wie auf den Menschen im Sattel süchtig machend. Doch die korrekte Erweiterung des Rahmens ist vor allem eines: ein Zeichen dafür, dass Pferd und Mensch es in ihrer Ausbildung schon ziem- lich weit gebracht haben. Um es vorweg zu sagen: Im Grunde genommen ist bereits jedes Entlassen des Pferdes ins Vorwärts-Abwärts, jedes Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen eine Rahmenerwei- terung. Dass viele beim Stichwort Rahmenerweiterung vermutlich zuerst an Verstär- kungen im Gang denken, liegt sicher daran, dass die Richtlinien für Reiten und Fahren der FN das Thema Rahmenerweiterung hauptsächlich in Verbindung mit den Trab- und Galoppverstärkungen behandeln. Tatsächlich sind in den Verstärkungen der schwung- haften Gangarten Trab und Galopp Rahmenerweiterung und Schwung untrennbar mit- einander verknüpft. Der Rahmen erweitert sich, je schwungvoller das Pferd sich bewegt: „Beim Zulegen sollen die Hinterbeine des Pferdes weit durchschwingen, ohne dass der Bewegungsablauf eiliger wird. (…) Ein leichtes, allmähliches Vorlassen der Stirn-Nasenli- nie des Pferdes in Verbindung mit der Erweiterung des Halses ermöglicht dem Pferd die volle Bewegungsfreiheit aus der Schulter heraus und ein weiteres Durchschwingen der Hinterhand. Das führt zu der sogenannten Rahmenerweiterung“, heißt es dazu in den Richtlinien. Anders ist es beim Schritt als schwungloser Gangart. Trotzdem erweitert das Pferd ja auch dort seinen Rahmen, wenn es sich an die Hand herandehnt oder sich beim Zügel-aus-der-Hand-Kauen streckt und freier ausschreitet. Rahmenerweiterung in der Verstärkung: Prüfstein reeller Ausbildung Gerade in den Verstärkungen zeigt sich besonders deutlich, ob ein Pferd reell ausgebil- det wurde oder nicht. Das Erweitern des Rahmens gilt klassischen Ausbildern und Auto- ren bis heute als ein Prüfstein dafür, denn das Pferd kann das letztlich nur leisten, wenn Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung ent- sprechend der Skala der Ausbildung gegeben sind. All dies hängt, wie auch in den Richt- linien beschrieben, unmittelbar zusammen: Bewegung ohne Takt kann keine Losgelas- senheit erzeugen. Ein nicht losgelassenes Pferd dehnt sich nicht an die Reiterhand heran und sucht nicht die Anlehnung, die wiederum die Voraussetzung von Schwung ist, weil sich das Pferd in positiver Spannung vom Gebiss abstößt. Ist das Pferd nicht geradege- richtet, geht die Bewegung nicht von der Hinterhand über Rücken und Genick bis zum Maul durch, das Pferd kann sein volles Bewegungspotenzial nicht entfalten und damit

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Definition

seinen Rahmen auch nicht erweitern. Nicht zuletzt kann ein Pferd, das sich nicht versam- meln lässt, auch keine korrekte Verstärkung zeigen – die Hinterhand nimmt keine Last auf und schiebt nach hinten hinaus. Das Pferd kommt unweigerlich auf die Vorhand, die Bewegung verliert den Schwung und die Tritte werden eilig statt länger. Losgelassenheit und Anlehnung, Dehnung und Spannung Das Erweitern des Rahmens fordert nicht nur vom Pferd die Entfaltung des Schwungs und das Verlängern seiner Tritte und Sprünge bei gleichbleibendem Tempo, sondern auch vom Reiter, dass er diese Entfaltung zulässt. Der Reiter treibt dafür das Pferd an die Hand heran, die passiv bleibt, also weder nachgibt noch rückwärts zieht, sondern den Schwung vielmehr „elastisch aushält“, wie Waldemar Seunig es ausdrückt. Kommen die Hinterbeine dann schwungvoll zum Treten, „wird (das Pferd) sich aufgrund der Anleh- nung bei treibendem Sitz an die Hand des Reiters heranformen, indem es in Maul, Ge- nick und Hals nachgibt und kauend am Gebiß abstößt, sich daran losläßt“, heißt es bei Waldemar Seunig weiter. Damit aber dieses Wechselspiel von Spannung und Abspannung funktionieren kann, muss das Pferd tatsächlich „durchs Genick“ gehen. Das heißt: Der Schwung, die Ener- gie der Bewegung muss von den Hinterbeinen über Rücken und Genick wieder bis zum Maul durchkommen. Das funktioniert wiederum nur, wenn das Pferd losgelassen ist – weshalb der Reiter den Schwung auch herauslassen muss, indem er mit der Hand vor- geht und dem Pferd so die Rahmenerweiterung ermöglicht. Andernfalls käme das Pferd aus der positiven Spannung in eine Verspannung, die bei festgehaltenem Rücken und festem Genick zum Verlust von Takt und Schwung führen würde. Umgekehrt hätte das Aufgeben der Anlehnung denselben Effekt. Das Zulassen der Rahmenerweiterung bei gleichzeitig „elastischer“ Anlehnung ist daher tatsächlich eine Gratwanderung, bei der ein Zuviel oder Zuwenig den sofortigen Misser- folg bedeutet – was nachvollziehbar macht, warum für die korrekte und ausdrucksstarke Ausführung nicht nur beim Pferd, sondern auch beim Reiter ein entsprechender Ausbil- dungsstand vorhanden sein muss. (Cora von Hindte-Mieske)

Lesetipps: Deutsche Reiterliche Vereinigung: „Richtlinien für Reiten und Fahren“, Band 1, FN-Verlag, 2019 Waldemar Seunig: „Von der Koppel bis zur Kapriole“, Olms, Reprint 2019

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Biomechanik Biomechanik: Ein langer Hals macht noch keine Rahmenerweiterung Die Rahmenerweiterung wird in den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Verei- nigung (FN) nur in Verbindung mit Tempoverstärkungen thematisiert. Dabei ist die Rahmenerweiterung ein zentrales Thema in der Pferdeausbildung. Ein Blick auf die biomechanischen Abläufe zeigt, warum das so ist. Die Rahmenerweiterung wird laut Richtlinien der FN durch„leichtes, allmähliches Vorlas- sen der Stirn-Nasenlinie in Verbindung mit der Erweiterung des Halses“ erreicht. „Kenn- zeichnend für eine korrekte Rahmenerweiterung sind die Auffächerung der vorderen zwei Drittel der Brustwirbelsäule und das Längerwerden des Halses. Wir reden hier von dem Bereich zwischen dem 12. und 13. Brustwirbel, also dort, wo der Reiter sitzen sollte, und dem Genick des Pferdes“, erklärt Michaela Wieland-Findeis. Die gelernte Human-, Manual- und Physiotherapeutin aus der Region Stuttgart ist DIPO-Pferdeosteo- und -physiotherapeutin und konzentriert sich inzwischen auf die Pferdetherapie. Auch wenn der Fokus bei der Rahmenerweiterung auf der Vorhand des Pferdes liegt, rollt sie das Thema bei der Betrachtung der biomechanischen Abläufe lieber „von hin- ten“ auf, „denn jeder korrekte Bewegungsablauf verläuft von hinten nach vorn“. Sie er- klärt: „Voraussetzung für eine korrekte Rahmenerweiterung ist eine vermehrte Aktivität im Hinterbein. Dadurch wird das Becken gekippt und der Arbeitswinkel für die Bauch- muskulatur verbessert. Die tieferen Muskelschichten der Bauch- und Rückenmuskulatur werden aktiviert. Daraus resultiert, dass auch die Rumpfträger – also die Muskeln, die Vorhand und Rumpf verbinden – mitarbeiten und der Widerrist angehoben wird. Das Pferd wird also von hinten nach vorn größer und kommt ‚vor den Reiter‘.“ Eine wesentliche Rolle kommt den Trägern des Halses zu, macht Michaela Wieland- Findeis deutlich: „Sie sind dafür zuständig, dass der Hals aus demWiderrist heraus getra- gen werden kann und zwar in einem Zustand der Verlängerung. Das führt zu einer ho- hen Beanspruchung der Halsträger.“ Zu diesen Muskelgruppen zählen insbesondere der Halsanteil des Musculus serratus ventralis, der Musculus rhomboideus, die beiden An- teile des Musculus trapezius und des Musculus splenius sowie der Musculus longissimus cervicis. „Der Musculus rhomboideus und der Musculus trapezius helfen auch dabei, das Schulterblatt zu bewegen, das durch das Aufwölben des Widerrists ein besseres Gleitla- ger hat. Der Hauptvorführer der Schulter, der Musculus brachiocephalicus, wird dadurch entlastet. Er muss weniger stützende Arbeit leisten und kann somit seine Hauptaufgabe, das Vorführen der Vordergliedmaße, besser ausführen“, macht die Therapeutin deutlich. Diese sogenannte Schulterfreiheit führt dazu, dass das Vorderbein raumgreifendere Be- wegungen ausführen kann. Das korrekte Aufdehnen des Hals- und vorderen Brust- wirbelsäulenbereichs ist nur möglich, wenn der Ganaschenwinkel geöffnet ist. „Er öffnet sich, wenn sich das Pferd an die Hand des Reiters heran nach vorn dehnt und die- ser das Öffnen durch das Vorgehen mit seiner Hand zulässt. Das setzt voraus, dass die

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