Blick ins Mutmach-Heft
Abschied vom Perfektionismus
Abschied vom Perfektionismus
sinnvoll. Schon das ist schwierig, weil die Gegebenheiten jeden Tag variieren können.“ Das Wichtigste ist für Tania Konnerth, nie die Freude am Reiten zu verlieren. Auch im klassischen Bereich der Reiterei gibt es ihrer Ansicht nach etwas zu viel Ernsthaftigkeit: „Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele Menschen nicht bemerken, wie verbissen sie sind, da dieses Verhalten normal geworden zu sein scheint. Die ganze Reiterszene entwickelt sich leider in diese Richtung.“ Der Perfektionist als Ausbilder „Ein perfektionistisch geprägter Mensch ist in der Regel sehr hart gegen sich selbst. Als Lehrer wird er den Reiter oder Schüler immer eher kritisieren als loben“, sagt Tania Kon nerth und ergänzt:„Habe ich dagegen einen Reitlehrer, der in sich gefestigt ist, kann die ser seine Schüler meistens besser unterstützen. Diese Menschen sind oft sehr sanft und verzeihen großzügig kleine Fehler.“ Reitunterricht oder auch anderer Schulunterricht kann ihrer Ansicht nach das Entstehen von Perfektionismus begünstigen: „Wird der Fo kus nur auf Dinge gelegt, die noch nicht funktionieren, erhält der Schüler oder das Pferd immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Deshalb arbeite ich in der Pferde ausbildung gern mit positiver Verstärkung. Hier lege ich den Fokus auf ein Verhal ten, das schon gut ist und lobe das Pferd dafür. Fehler werden nicht bestraft, son dern allenfalls korrigiert. Lernen macht so viel mehr Freude, da jeder kleine Fort schritt belohnt wird.“ Sorge um die Gesundheit des Pferdes Gerade unter Freizeitreitern gibt es Tendenzen zum Perfektionismus in Sachen Gesund heit. „Viele Menschen werden von der Sorge um die Gesundheit ihres Pferdes getrieben, häufig den Stall zu wechseln. Das ist natürlich in Ordnung, wenn es dem Pferd objektiv schlecht geht. Den perfekten Stall gibt es allerdings nicht. Durch häufige Stallwechsel wird dem Pferd die Chance genommen, in einer Umgebung heimisch zu werden“, erklärt Tania Konnerth. Auch Sorge kann dem Pferd ihrer Erfahrung nach signalisieren, dass ir gendetwas mit ihm nicht stimmt: „Mein eigenes Pferd leidet unter chronischem Husten. Lange Zeit habe ich alles dafür getan, den Husten in den Griff zu bekommen. Irgend wann habe ich nur noch den Husten an diesem Pferd wahrgenommen. Das Ziel, mein Pferd auf jeden Fall wieder gesund zu bekommen, überschattete unser gesamtes Mitein ander, denn ich empfand die Tatsache, ihn nicht heilen zu können, als Versagen. Ich ließ mich zu sehr vom Rat anderer beeinflussen, als mehr auf mein Pferd zu hören. Erst als ich seinen Husten als Teil von ihm akzeptierte, konnte ich bessere Entscheidungen treffen und die gesamte Situation verbesserte sich. Sein Husten ist nicht weg, aber er lebt sehr gut damit.“ Tania Konnerth ist überzeugt, dass wir viel von unseren Pferden lernen kön nen, wenn wir bereit sind, uns die Situation von außen anzuschauen: „Der Mensch sollte sich immer fragen, ob eine Sorge real ist oder ob er sich in etwas hineinsteigert.“ Nicht selbst zur Belastung werden Ein Mensch, der in übertriebener Sorge ist, beginnt häufig mit einem nicht enden wol lenden inneren Dialog. „Probleme verkleinern sich leider nicht durch zunehmende Sor gen. Die Gedanken dienen lediglich dazu, uns auf bestimmte Probleme aufmerksam zu
Dr. Gaby Bußmann. Foto: privat
machen. Niemandem ist geholfen, wenn die Sorgenspirale immer größer wird. Sind wir nicht in der Lage, mit Sorgen konstruktiv umzugehen, kann dies sehr belastend für Tier ärzte, Freunde und Lebenspartner werden. „Werden die Sorgen zu stark, verlangen wir manchmal von anderen Unmögliches. Besonders auf engagierte Tierärzte kann dieser Zustand sehr zermürbend wirken.“
Praxistipp 1 von Gaby Bußmann: Selbsttalk Ziel: Mehr Lockerheit statt verbissenen Trainings
Ausführung: Manchen Reitern hilft es, mit ihrem eigenen Perfektionismus in Dialog zu treten. Dazu kann dem Perfektionismus ein eigener Name wie zum Beispiel „Miesepe ter“ oder „Zweifler“ gegeben werden. Entsteht ein Gedanke wie: „Der Galoppübergang hat heute mal wieder gar nicht geklappt“, könnte der Reiter seinem Perfektionismus wie folgt antworten: „Ach, du alter Miesepeter, immer musst du alles schlechtreden. Das An springen im Galopp hat doch schon sehr gut funktioniert, das Durchgaloppieren wird sich auch noch verbessern.“ Ausführung: Leitsätze sollten immer persönlich, kurz und klar formuliert werden. Sie kommen immer dann zum Einsatz, wenn die Gedankenspirale ins Negative rutscht. Für Perfektionisten eignen sich zum Beispiel folgende Sätze: „Ich genieße das Reiten und habe Spaß“,„Ich will Fortschritt“,„In kleinen Schritten geht es aufwärts“,„Step by Step“. Praxistipp 3 von Gaby Bußmann: Stuhlwechsel Ziel: Die Realität erkennen und annehmen, eigene Schwächen und Stärken erkennen Ausführung: Der Reiter schreibt seine kritischen Gefühle und Gedanken auf. Danach nimmt er gedanklich oder real einen Stuhlwechsel vor und betrachtet die Situation aus Sicht einer anderen Person. Was würde zum Beispiel seine Mutter oder sein Trainer zu dieser Situation sagen? Welche Stärken würden sie an ihm schätzen? Durch das Gedan kenspiel fällt es dem Reiter leichter, die Realität zu erkennen und zu akzeptieren. Praxistipp 2 von Gaby Bußmann: Persönliche Leitsätze formulieren Ziel: guter innerer Dialog, Zuversicht und Motivation
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