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Pferd beim Tierarzt Üben – bevor der Tierarzt kommt

Das Pferd zappelt beim Ultraschall, scheut vor der Spritze oder steigt bei der Beu geprobe. Was auf den ersten Blick wie ein erdachtes Horrorszenario anmutet, gehört zum täglichen Leben vieler Tierärzte. Babette Teschen, Pferdetrainerin aus dem niedersächsischen Adendorf, hat sich auf ge sundheitsfördernde Boden- und Longenarbeit spezialisiert. Zeitweise arbeitete sie bei einem Tierarzt und absolvierte ein längeres Praktikum in einer Tierklinik. Dort beobach tete sie, dass Behandlungen häufig Stress bei Pferd und Mensch auslösen und in der Fol ge sogar weitere psychische Probleme entstehen können. Für Babette Teschen liegt es ganz klar in der Verantwortung des Pferdebesitzers, sein Tier auf den Arztbesuch best möglich vorzubereiten: „Viele Zoos, Wildtiergehege oder Aquarien nutzen mittlerwei le das sogenannte Medical Training, bei dem medizinische Pflege und Behandlung im Vorfeld trainiert werden.“ Früher wurden viele Wildtiere für die Behandlungen sediert, narkotisiert oder fixiert. Solche Maßnahmen sind mit einem hohen Risiko für das Tier verbunden. „Am Ende ist die Behandlung selbst fast immer mit einem negativen Ge fühl belegt. Aus diesem Grund wird zunehmend auf freiwillige Mitarbeit der Tiere durch positive Verstärkung mit Markersignal gesetzt. So lernen zum Beispiel Gorillas ihren Arm zur Blutabnahme durch das Gitter zu stecken oder Tiger freiwillig in Transportkäfige zu steigen“, berichtet die Trainerin. Nach diesem Vorbild praktiziert und unterrichtet sie Medical Training für Pferde. Bevor der Tierarzt kommt „Um zu verstehen, warum sich viele Pferde bei Untersuchungen und Behandlungen selt sam benehmen, ist die gedankliche Beschäftigung mit dem Wesen des intelligenten Tieres notwendig“, sagt Martin Grell. Der Tierarzt und Dentalpraktiker betreibt eine mo bile Praxis in Berlin. „Das Pferd ist ein Herden- und Fluchttier“, betont er. Daraus ergeben sich für ihn drei Dinge, die dem Pferd Angst einjagen: „1. allein sein, 2. mehrere Raubtiere nähern sich und 3. mein Mensch (im besten Fall: Leittier der Herde) benimmt sich selt sam.“ Im ersten Fall rät Martin Grell, einen Pferdekumpel dazu zu holen und im zweiten Fall zu trainieren, dass mehrere Personen am Pferd von diesem als normal empfunden werden. „Ist der Besitzer selbst sehr aufgeregt, sollte er das Pferd einer zweiten geeig neten Person übergeben. Später muss er selbst daran arbeiten, für sein Pferd der Fels in der Brandung zu werden. Dafür kann es notwendig sein, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen“, sagt er. Er erinnert sich an einen Fall, bei dem er eine ranghohe Stute jahrelang ohne Probleme auf der Koppel inmitten ihrer Herde geimpft hatte: „Erst als sie vom neu en Pensionsstallbesitzer zum Impfen in den Stall gebracht wurde, reagierte sie unruhig und versuchte, mich mit angelegten Ohren zur Seite zu schubsen. Was war also passiert? Im Stall war sie allein und konnte ihre Aufgabe als Herdenchefin nicht wahrnehmen. Die Injektion interessierte die Stute gar nicht, als die Impfung dann doch noch auf der Weide stattfand.“

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DS 03/19

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