Blick: Ausgabe 2 "Fair zur Fellnase" Best Buddies

Bindung in der Forschung

Die Bindungstherie in der Psychologie

Die Bindungstheorie wurde erstmals von dem englischen Psychiater und Psycho analytiker John C. Bowlby (1907–1990) in den 1950er-Jahren entwickelt. Er argumen tierte, dass Kinder eine angeborene Tendenz haben, enge Beziehungen zu ihren pri mären Bezugspersonen aufzubauen, die seiner Meinung nach dazu dienen, ihr Über leben und ihre Sicherheit zu gewährleisten. Er betonte auch die Bedeutung früher Kindheitserfahrungen und argumentierte, dass frühkindliche Bindungen einen lang fristigen Einfluss auf unsere Beziehungen im Erwachsenenalter haben können. Die Kanadierin Mary S. Ainsworth (1913–1999) untermauerte diese Bindungstheorie empirisch. Sie entwickelte in den 1970er-Jahren den „Fremde-Situations-Test“ (FST, „Strange Situation Test“ 1970-1978), eine experimentelle Methode zur Untersuchung der Bindung zwischen Kindern und ihren primären Bezugspersonen, also in der Re gel zu den Müttern. Die Forscherin wählte für ihre Testumgebung ein Wartezimmer mit Spielecke, wie es in Arztpraxen üblich ist, um die standardisierte Verhaltensbe obachtung bei einjährigen Kindern durchzuführen. Die Mutter verließ für kurze Zeit den Raum, was für die Kinder in der unbekannten Umgebung eine Belastung dar stellte. In Anwesenheit der Mutter hingegen sollten sich die Kinder sicher fühlen und die Umgebung erkunden können. Mary S. Ainsworth beobachtete, wie das Kind auf diese Trennung undWiedervereini gung reagierte und entwickelte daraus verschiedene Bindungskategorien. Die sicher gebundenen Kinder (ca. 60 bis 65 Prozent der Kinder in den damaligen Stichproben) zeigten in der fremden Situation eine angemessene Balance zwischen dem Erkunden der neuen Umgebung und der Suche nach Nähe zu einem ihnen un bekannten Menschen, der auch im Raum war. Diese Kinder hatten ein hohes Maß an Vertrauen in ihre Bezugsperson und waren in der Regel bereit, diese als„sicheren Ha fen“ zu betrachten. Sie waren aber auch in der Lage, Kontakt mit der fremden Person aufzunehmen und die Zeit bis zur Wiederkehr der Mutter ohne Stress zu überstehen. Die unsicher-vermeidend gebundenen Kinder (ca. 20 bis 25 Prozent der Kinder) zeigten wenig emotionale Reaktion auf die Trennung von der Mutter und schienen keine besondere Freude oder Erleichterung zu zeigen, wenn sie später wieder ver eint wurden. Diese Kinder zeigten wenig Interesse an der Interaktion mit der frem den Person und spielten lieber allein. Die unsicher-ambivalent gebundenen Kinder (ca.10 bis 15 Prozent der Kinder) waren bei der Wiedervereinigung mit der Bezugsperson ambivalent und wider sprüchlich in ihren Reaktionen. Sie suchten die Nähe der Bezugsperson, zeigten aber gleichzeitig eine Ablehnung der Nähe. Diese Kinder waren oft ängstlich und unbere chenbar in ihrem Verhalten. Später kam eine vierte Bindungskategorie hinzu: das desorganisierte Bindungs muster. Diese Kategorie wurde eingeführt, um Kinder zu beschreiben, die in der fremden Situation widersprüchliche oder ungewöhnliche Verhaltensweisen zeigten und bei der Wiedervereinigung mit der Bezugsperson verwirrt oder verängstigt wirkten.

9

FzF 01/23

Made with FlippingBook Digital Proposal Maker