Blick 1/24: Wie Lektionen wirken: Vor- und Nachteile
Überforderung Alarmzeichen: Wann genug genug ist
Bei aller Freude am Training und am Reiten von Lektionen: Irgendwann ist der Zeit punkt gekommen, wenn es genug ist. Das Pferd signalisiert das meist schon lange, bevor es der Reiter merkt. Dabei sind die Anzeichen oft eindeutig. Wohlgelaunt betreten Sie die Weide, doch der Vierbeiner sucht direkt das Weite? Viel leicht haben Sie am Tag zuvor einfach zu viel gemacht. Natürlich kann das Weglaufen auch andere Gründe haben, doch sich zu reflektieren schadet ja bekanntlich nie. Auch ein Granteln beim Putzen und Satteln sollte nicht einfach hingenommen, sondern hinterfragt werden. Die Verhaltensforscherin und Biologin Marlitt Wendt hat dazu in ei nem ihrer Bücher aus einer erschreckenden Studie zitiert: Demnach zeigen 95 Prozent aller Pferde beim Putzen Unwohlsein und Meideverhalten. Was auch bedeutet: Nur fünf Prozent der Pferde genießen das tägliche Bürsten und Striegeln. Je nach Pferdecharakter – eher ruhig oder eher temperamentvoll – fallen auch die Re aktionen auf eine Überanstrengung unterschiedlich aus. Und das unabhängig davon, ob die Überforderung unter dem Sattel oder bei der Arbeit am Boden auftritt. Der gelasse ne Vertreter tritt vielleicht eher auf die Bremse und verhält sich. Das heißblütige Modell versucht der Überanstrengung durch die Flucht nach vorn zu entgehen – bis zum Durch gehen. Wer das als reine Gehfreude interpretiert, liegt dann leider komplett falsch. Legt sich Ihr Pferd während der Arbeit auf den Zügel, kann das ebenso ein Anzeichen für Überforderung sein wie das regelrechte „Zügel-aus-der-Hand-Reißen“ mit dem Wunsch, den Hals ganz lang zu machen und in Richtung Boden zu strecken. Schnaubt das Pferd ununterbrochen ab, kann auch das ein Hinweis auf Stress und Über forderung sein. Heftiges Atmen und Schnaufen können, wenn sie andauernd gezeigt werden, ebenfalls Anzeichen sein. Hier hilft der Einsatz eines Pulsmessers, um zu kontrol lieren, ob das Pferd ungewollt nur im anaeroben Bereich arbeitet (s. Artikel S. 15). Zeigt das Pferd während des Reitens ein übermäßiges Einspeicheln, reißt das Maul auf oder knirscht gar mit den Zähnen, sind auch diese Symptome als Abwehrverhalten zu deuten. Die Lösung lautet hier freilich nicht, den Sperrriemen oder das Reithalfter noch enger zu schnallen: Das „hilft“ nur dabei, die Symptome zu kaschieren. Die Ursache, die möglicherweise zu harten Reiterhände, wird damit ja nicht abgestellt.
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DS 01/24
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