Blick: Über den Rücken reiten

Blick in das Heft 3/2014

03/14 September 2014 bis Dezember 2014

8,90 EUR (D) 9,80 EUR (A) 17,80 SFR (CH) 9,90 EUR (BeNeLux) 11,60 EUR (ES, I)

Fühlenunderkennen: Über denRücken reiten

Wiees geht undwiees sichanfühlt

Cavaletti-Training mit IngridKlimke

DasAuge schulen!

Exterieurprobleme? Obkurzoder lang, über den Rücken reitenmuss sein! Standpunkt: GewichtigeProbleme imSattel

Jahrgang X | ISSN 1860-3963

Das Magazin zur Aus- und Weiterbildung von Reiter und Pferd 3

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Liebe Leserinnen und Leser,

selten haben sich unsere Interviewpartner bei einem Thema so ei- nig gezeigt wie beim Top-Thema dieser Ausgabe. Wer sein Pferd lange gesund sehen möchte, muss es über den Rücken reiten. Doch über kaum einen anderen Fachbegriff herrscht so viel Un- klarheit. Zumal es vom Boden aus auch gar nicht so einfach zu erkennen ist, ob das Pferd reell über den Rücken läuft. Wir haben wieder viele Anregungen und Tipps für Sie zusammengetragen: wie ein Pferd korrekt über den Rücken geritten wird, aber auch wie Sie lernen können, das vom Sattel aus zu spüren. Das Thema wird abgerundet mit einem – zugegeben – recht deut- lichen Kommentar über schwergewichtige Reiter. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Etwas Übergewicht ist nun kein Grund, auf dem Boden zu bleiben statt im Sattel zu sitzen. Aber es gibt Gren- zen, in diesem Fall eine Schmerzgrenze für das Pferd. Da Pferde keine Schmerzlaute von sich geben, ist es die Pflicht jedes Reiters, zu prüfen, ob er nicht doch zu schwer ist für sein Pferd. Da nutzt es nichts, die Dinge zu beschönigen. Wir haben den Artikel auch auf unsere Internetseite gestellt und Kommentare für unsere Le- ser freigeschaltet. Manche Argumentation, die da zu lesen ist, hat aber nur noch wenig mit „Fair zum Pferd“, sondern eher mit „Ganz wie es mir gefällt, das Pferd wird es schon ertragen“ zu tun. Wenn es um die eigenen Befindlichkeiten geht, treten – so scheint es – bei manchem die Bedürfnisse des Pferdes in den Hintergrund. Und das trifft in diesem Fall eben nicht nur die immer gern ge- scholtenen Sportreiter, sondern auch und gerade die Freizeitreiter. Aber auch da bewegt sich ja vielleicht noch etwas ...

Viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Heftes wünscht Ihnen Ihre

Claudia Sanders

Äh, Orgu, dass mit dem „über den Rücken“ ist schon anders gemeint. Orgulloso und Claudia Sanders. Foto: Mark Sanders

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Fühlen und erkennen: Über den Rücken reiten

Biomechanik: Nur über den Rücken reiten ist gesund (Ilka Brummenbaum/Karin Link) Über den Rücken: Wie geht es? (Britta Schöffmann)

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Gebisslos und ohne Sattel (Claudia Sanders)

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Exterieurprobleme: Ob kurz oder lang, über den Rücken muss sein (Christiane Horstmann/Henning Müller)

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Das Auge schulen: Fotos und ihre Wirkung (Bärbel Schnell) 30 Das Auge schulen: Über den Rücken oder doch nicht? (Britta Schöffmann) 33 Historie: Von Rücken- und Schenkelgängern (Claudia Sanders) 49 Physiotherapie: „Pferde werden instabil, wenn sie nicht über den Rücken gehen“ (Helle Katrine Kleve) 51

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Der Reitersitz als Hilfe oder Hindernis (Eckart Meyners)

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Mentale Bilder helfen (Kerstin Diacont)

Standpunkt: Das Dehnen ist der Schlüssel (Gert Schwabl von Gordon)

Standpunkt: Die Versammlung ist der Schlüssel (Christin Krischke)

Praktische Tipps

Cavaletti-Training: Rückentraining pur (Ingrid Klimke) Der Rücken muss schwingen (Jessica von Bredow-Werndl)

Wie zwei Körper, die verschmelzen (Ingrid Oehlert)

Abwechslungsreiches Programm (Stefanie Wittmann)

Der Rücken ist kein„Einzelteil“ (Kirsten Jung)

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Im statt auf dem Pferd sitzen (Kerstin Gerhardt)

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Positive Rückentätigkeit für Gangpferde (Kaja Stührenberg)

Fahren kräftigt den Rücken (Marco Hildebrandt)

Rücken-Rehabilitation mit Stammer Kinetics (Sabine Ellinger) Equikinetic: Mit Plan zum Rückenaufbau (Michael Geitner)

Allerlei Standpunkt: Gewichtige Probleme im Sattel (Claudia Sanders) Alles was Recht ist: Von Sätteln und Kühlschränken (Nils Michael Becker)

Glosse: Mr. P & Me: Du Mensch, Du!

Impressum

Vorschau und Termine

Titelbild und Foto Inhaltsverzeichnis: www.slawik.com Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38 info@dressur-studien.de, www.dressur-studien.de

DS 03/14 Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jewei- ligen Artikels. In blau markierte Artikel kennzeichnen Titelthemen. 7

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Auch ohne Gebiss möglich: Aufgewölbter Rücken bei der Arbeit an der Hand. Foto: www.slawik.com

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Biomechanik: Nur über den Rücken reiten ist gesund Das eigene Pferd über einen möglichst langen Zeitraum so zu reiten, dass es gesund bleibt und die an es gestellten An- forderungen ohne Einschränkungen bewältigen kann, sollte Ziel eines jeden Reiters sein. Eine Voraussetzung dafür ist, dass der Reiter nicht nur den Anweisungen seines Reitleh- rers folgt, sondern sich auch mit den biomechanischen Zu- sammenhängen auseinandersetzt und diese zumindest in Grundzügen kennt. Dazu zählt, dass er einerseits die natür- lichen Bewegungsabläufe eines Pferdes kennt, andererseits aber auch feststellen kann, wann ein Pferd sich falsch und damit ungesund bewegt. Dabei ist ein wesentlicher Aspekt, dass das Reittier Pferd seinen Rücken richtig einsetzt, wie die im niedersächsischen Behringen beheimatete Karin Link erklärt: „Das Reitpferd bleibt nur dann langfristig gesund, wenn es seinen Körper symmetrisch einsetzt, sodass es nicht zu einseitigen Belastungen beziehungsweise Fehlbelastungen kommt. Das kann es aber nur, wenn es korrekt über den Rücken geritten wird.“ In der Theorie bedeutet das: Das Pferd tritt mit der Hinterhand gut unter seinen Schwerpunkt und dehnt sich an das Gebiss he- ran. Sein Rücken ist aufgewölbt und schwingt. Der Grund dafür, warum ein Pferd sich so bewegen soll, ist ein- fach: Das Fluchttier Pferd ist eigentlich nicht zum Reiten und da- mit zum Tragen von Lasten geboren. Die Wirbelsäule des untrai- nierten Pferdes wird einer Hängebrücke gleich nach unten nach- geben, wenn sich ein Reiter auf seinen Rücken setzt. In dieser Hal- tung muss aber die Muskulatur, insbesondere der lange Rücken- muskel, die Haupttragearbeit leisten, für die sie nicht geschaffen ist. Die Folge: Der Rückenmuskel verspannt. Das junge oder un- trainierte Pferd muss daher durch eine fundierte und auf biome- chanischen Zusammenhängen basierende Ausbildung erst nach und nach in die Lage versetzt werden, einen Reiter so zu tragen, dass es keinen gesundheitlichen Schaden nimmt. Es muss lernen, unter dem Reiter seinen Rücken aufzuwölben und dafür durch entsprechendes Training körperlich fit gemacht werden. „Ein kor-

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rekt über den Rücken gerittenes Pferd hat einen lockeren Rücken und eine insgesamt lockere Muskulatur. Wenn es vorwärts tritt, überträgt sich der Schwung der Hinterhand über den locker schwingenden Rücken nach vorn“, erklärt Ilka Brummenbaum, Tierärz- tin und Chiropraktikerin aus dem nordrhein-westfälischen Siegburg: „Je höher der sport- liche Anspruch und damit auch die Belastung des Pferdes ist, umso wichtiger, dass der Reiter sein Pferd über den Rücken reitet. Freizeitreiter, die ihr Pferd nur im Gelände rei- ten, leichttraben und im leichten Sitz galoppieren, reiten ihre Pferde oft automatisch so, dass es für die Vierbeiner nicht gesundheitsschädlich ist. Im Gelände zeigen Pferde von Natur aus schon mehr Schwung als beimTraining in der Halle oder auf dem Platz. Außer- dem werden sie von ihren Reitern dort auch meist weniger gestört. Sicherlich ist es nicht optimal, ein Pferd so laufen zu lassen, wie es will. Gesundheitliche Folgeschäden be- obachte ich dennoch häufiger bei den Pferden, deren Reiter schlecht ausgebildet sind, die aber dennoch einen sportlichen Ehrgeiz entwickeln und ihre Pferde dressurmäßig oder in anderen Leistungsrichtungen arbeiten wollen.“ Das korrekte Reiten über den Rücken beginne dabei in der Hinterhand des Pferdes, wie die Chiropraktikerin Ilka Brummenbaumweiter ausführt.„Der Motor das Pferdes sitzt hin- ten“, sagt sie. „Mit dem ‚Engagement’, dem Schub der Hinterhand, bringt das Pferd sein Gewicht nach vorn. Dazu muss es seine Hinterbeine unter seinen Körper bringen, was wiederum nur dann funktioniert, wenn es seinen Körper auch nach oben bringen kann. Die Bewegung wird von hinten über die Wirbelsäule, den Hals und den Kopf des Pferdes nach vorn geleitet. Wir nennen das auch den Bogen-Sehne-Effekt: Nach dem kraftvollen Antreten aus der Hinterhand, mit dem Spannen der Sehne eines Bogens vergleichbar, soll die Wirbelsäule bis in den Kopf hinein nachschwingen, wie es die Bogensehne tut, nachdem sie losgelassen wurde. So spart der Pferdekörper Kraft bei den nächsten Schrit- ten, weil der ‚schwingende Bogen’ als Grundenergie für den nächsten und übernächsten Schritt genutzt wird und so weiter. Dabei spielen Hinterhand-, Rücken- und Bauchmus- keln des Tieres eng und fein aufeinander abgestimmt zusammen. Das klappt allerdings nur, wenn die Muskulatur korrekt ausgebildet und locker ist.“ Was dabei im Pferd passiert, erklärt Ilka Brummenbaum so: „Wenn die Hinterhand des Pferdes untertritt, kippt zunächst eine Seite des Beckens ab, während die andere mit dem nach hinten gestreckten Bein ebenfalls gestreckt wird. Das Becken bewegt sich also in Form einer Acht. Die Beckenbeugung fließt mit einer Beugung im sogenannten lum- bosakralen Übergang weiter nach vorn – und zwar umso stärker, je weiter das Pferd un- tertritt. Dadurch kommt Zug auf alle langen Bänder. Die Rückenmuskeln spannen sich an, der Rücken hebt sich durch die fließende Bewegung von hinten nach vorn an.“ Damit das Pferd gut untertreten kann, muss es auch seine Bauchmuskulatur entspre- chend einsetzen, wie Karin Link ausführt: „Bei einem über den Rücken gerittenen Pferd werden nicht nur die oberen Muskeln vom Kopf über den Rücken bis zur Hinterhand, die sogenannte dorsale Muskelkette oder obere Verspannung, angesprochen, sondern auch

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In der Zeichnung sind, stark vereinfacht, mit den roten Linien die obere und teilweise die untere Verspannung darge- stellt. Zeichnung: Maria Mähler

die ventrale Muskelkette oder untere Verspannung. Dazu gehören unter anderem die untere Halsmuskulatur und die Bauchmuskeln. Sucht das Pferd den Kontakt zum Gebiss und dehnt sich nach vorwärts-abwärts, spannt sich die Bauchmuskulatur wechselseitig an und ab. Die Halsmuskulatur ist für die Bewegung und das Vorführen der Vorderbeine zuständig und muss nicht kompensatorisch stützen. Die Spannung setzt sich durch die gesamte ventrale Muskelkette bis nach hinten zu den sogenannten Beugern des Lumbo- sakralgelenks fort. Dadurch kann das Becken abkippen und das Pferd untertreten. Beide Muskelketten, die obere und die untere, arbeiten also zusammen. Verspannungen in der einen haben deshalb immer auch Einfluss auf die andere und damit auf die Fähigkeit des Pferdes, seinen Rücken aufzuwölben.“ Je mehr das Pferd im Lauf seiner Ausbildung vorn aufgerichtet wird, desto eingeschränk- ter kann es allerdings seinen Rücken aufwölben, wie Karin Link weiter beschreibt: „Wenn das Pferd Körperspannung für Lektionen braucht, kann es seinen Rücken aufgrund der erwünschten Aufrichtung nicht komplett aufwölben. Eine leichteWölbung ist dann zwar immer noch vorhanden und auch notwendig, damit die Muskeln gut arbeiten und den Körper halten können. Aber der Rücken schwingt weniger als in der Dehnungshaltung, die Körperspannung ist insgesamt höher, damit das Pferd die Lektion überhaupt ausfüh- ren kann.“

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