Boden: Blick ins Heft

Kommunikation Man kann nicht nicht kommunizieren: Kommunikation von Anfang an

Aus unseren Gedanken entstehen Gefühle. Umgekehrt führen unsere Gefühle auch zu Gedanken. Für das Pferd ergibt das Ganze ein regelrechtes Kommunikations- wirrwarr. Um eine gute Beziehung zum Pferd aufzubauen, sollte sich der Mensch seiner eigenen Empfindungen bewusst werden – und das immer, überall und von der ersten Sekunde an. „Bei jeder neuen Begegnung scannt das Pferd den Menschen. Genauso wie ein Super- markt-Scanner die Ware sofort erkennt, weiß das Pferd, in welcher Stimmung sich der Mensch gerade befindet. Dies funktioniert sogar auf Entfernung“, sagt Stefan Valentin. Der Tierpsychologe aus dem Saarland reitet seit frühester Kindheit und hatte schon im- mer ein Faible für Problempferde. Seine Arbeit wurde durch die Lehren von Monty Ro- berts und Jean-François Pignon beeinflusst. Heute gibt er seinWissen in Kursen und Vor- trägen weiter. Wann immer sich zwei Pferde treffen, läuft die Begrüßung nach einem genetisch vorgegebenen Programm ab, das Stefan Valentin kurz als „Riechen, schnup- pern, schubsen, quietschen“ bezeichnet. „Zuerst beriechen sich die Pferde an den Nü- stern, im Gesicht oder am Hals. Als Nächstes beschnuppern sie sich unter dem Bauch, im hinteren Bereich. Hier nehmen sie den individuellen Geruch des jeweiligen Pferdes am intensivsten war. An genau dieser Stelle folgt oft ein Schubser mit der Nase, der mögli- cherweise von einem Quietschen begleitet wird. Entweder ist das Ritual damit beendet oder die beiden Pferde beriechen sich anschließend erneut von Nase zu Nase“, berichtet er. Mit dem Begrüßungsritual klären die Pferde: Wer bewegt wen? „Die Antwort ist für jedes einzelne Pferd überlebenswichtig, da alle Pferde im Augenblick der Flucht zusam- men eine Herde bilden. Jedes Tier bewegt sich im Einklang mit den anderen!“, erklärt er. Begrüßung – bitte ohne Streicheleinheiten Jedes Pferd wickelt dieses Begrüßungsritual nach Beobachtung von Stefan Valentin auch mit jedem Menschen ab: „Viele Menschen können diese feine Sprache nicht deu- ten und beginnen jede Begrüßung ungefragt mit einer Streicheleinheit. Untereinander würden Pferde diese menschliche Geste nie zur Begrüßung einsetzen.“ Nur wer sich auf die Pferdesprache einlässt, könne eine tiefe Beziehung zum Pferd aufbauen: „Schon auf der Fahrt zum Stall sollte ich versuchen, mich emotional herunterzufahren und innerlich ruhig zu werden“, rät Stefan Valentin. Im Stall angekommen, überprüft er, ob alle Gedan- ken, die nichts mit dem Pferd zu tun haben, verschwunden sind: „Das Pferd kennt unser weltliches Leben nicht und kann daher nichts mit unserem Stress oder Ärger anfangen.“ Anschließend spricht er in Gedanken folgendes Mantra: „Du bist das schönste Pferd der ganzenWelt und kannst mich nicht enttäuschen.“ Seiner Meinung nach bildet die bedin- gungslose Liebe einen Rahmen um die Beziehung von Mensch und Pferd. Das Mantra helfe, nicht ehrgeizig zu sein und alles anzunehmen, wie es komme. Es entstehe Raum für die Symbiose zwischen Mensch und Pferd, in der alle Türen offen stünden, auch sol- che, die es vorher noch nicht gab. „Diese Gefühle bleiben latent in mir, während ich mich

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