Blick ins Mutmach-Heft

Krankheitsfrust

Krankheitsfrust

Informieren und Akzeptieren: Wege aus dem Frust mit kranken Pferden

Oftmals liegen bei Pferdebesitzern die Nerven blank, wenn sich beim eigenen Pferd Krankheiten aneinanderreihen oder es unter einer chronischen Erkrankung leidet. Das eigentlich schönste Hobby der Welt wird plötzlich von Sorgen, Ängsten und Frust überlagert. Auch wenn sich die Krankheiten nicht wegzaubern lassen – den eigenen Umgang damit zu reflektieren kann ein erster Schritt sein, um besser mit der Situation umzugehen. Das hilft letztlich Mensch und Pferd. Verschiedene Faktoren beeinflussen, wie Menschen mit Erkrankungen ihrer Tiere umge hen. Was den einen Halter seelisch völlig mitnimmt, ist für den anderen vielleicht nur eine Nebensache. Ein Faktor ist der Persönlichkeitstyp, sagt Dr. Angela Kurylas-Schnei der. Die Neurobiologin aus Großenkneten hat als Businesscoach auch mit der ganzen Bandbreite der menschlichen Natur zu tun. Sie unterscheidet zwischen den eher prag matischen und den eher emotionalen Menschen, wobei es in beiden Gruppen jeweils pragmatischere und emotionalere Typen gebe. Sie sagt: „Gerade sehr emotionale Men schen geben dem Thema des kranken Pferdes viel Raum. Neben der Persönlichkeit spielt aber auch der Lebenskontext eine Rolle. Wer sich in einer Lebensphase befindet, die ihn auch anderweitig, zum Beispiel familiär, sehr fordert, kann sich oft nicht so um das kran ke Pferd kümmern, wie er gern würde. Das kann zu Schuldgefühlen führen und deshalb sehr belastend sein.“ Generell hat sie beobachtet, dass Pferdebesitzer dazu neigen, viel in ihr Pferd hinein- zuprojizieren. „Das Pferd wird mit seinen Bedürfnissen oft zu menschlich gesehen. Wir glauben, so wie es uns gehen würde, fühlt sich auch das Pferd“, sagt Angela Kurylas Schneider, die sich selbst davon nicht ausnimmt. So habe es ihr in einer schwierigen Zeit mit ihrem eigenen kranken Pferd geholfen, dass ein Tierarzt zu ihr sagte:„Pferde sind lei densfähiger, als man glaubt.“ Auch das soziale Umfeld hat Einfluss auf die eigene Einstel lung, macht Angela Kurylas-Schneider deutlich: „Der Mensch orientiert sich an seinem Umfeld. Wer sich viel mit pragmatischen Menschen umgibt, verhält sich oft auch selbst pragmatischer. Jemand, der sich leicht in den eigenen Emotionen verliert, braucht da gegen eine pragmatischere Person als Vorbild, an der er sich orientieren kann.“ Angela Kurylas-Schneider ist überzeugt, dass eine Erkrankung des Pferdes unabhängig von der Persönlichkeit vor allem dann zu Frust führt, wenn der Mensch keine Lösungsstrategie hat. Das ist auch die Erfahrung von Conny Röhm. Die Pferdewissenschaftlerin aus Boos sagt ganz klar: „Unsicherheit entsteht, wenn Wissen fehlt.“ Die neuen Medien verstärken dieses Problem, erklärt sie: „Es fällt immer schwerer, zu filtern, was Mediennonsens, Po pulismus oder Angstmacherei ist.“ Dazu komme oft ein Gefühl von Schuld und Scham, das durch das Umfeld verstärkt werde. „Das kann das persönliche Umfeld sein, das dem Pferdebesitzer vermittelt, er habe die Situation selbst verschuldet, oder auch das Inter

Wenn der Tierarzt zum Dauergast wird ... Foto: www.slawik.com

net. Beides vergrößert die Unsicherheit“, so Conny Röhm. Sie hat zudem einen weite ren Faktor ausgemacht, der die Situation für den Pferdebesitzer noch verschlimmert: Die Ohnmacht und das Unvermögen, die Tatsache zu akzeptieren, dass man etwas nicht im Griff hat. „Das ist eine Spirale, die durchaus traumatisch sein kann. Sie kann zu Verhal tensmustern führen, die von völligem Kontrollverlust bis hin zu Depressionen und Ess störungen reichen“, erklärt Conny Röhm. Wissen gegen die Ohnmacht Um eine Lösungsstrategie entwickeln zu können, gilt es zunächst gegen die Ohnmacht und die Überflutung mit Fehlinformationen anzugehen, betont Conny Röhm. „Der Pfer debesitzer muss sich eine verlässliche Informationsquelle suchen. Das kann ein Tierarzt sein, Fachliteratur oder auch ein seriöser Berater“, so Conny Röhm, die es nicht verwun dert, dass so viele Menschen Probleme damit haben, zwischen Information und Fehl information zu unterscheiden. „Die kritische Evaluation wird in Deutschland, anders als beispielsweise in England, kaum gelehrt. Sie findet bei uns allenfalls in der Wissenschaft statt“, sagt sie.

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