Blick: Über den Rücken reiten

Biomechanik

rekt über den Rücken gerittenes Pferd hat einen lockeren Rücken und eine insgesamt lockere Muskulatur. Wenn es vorwärts tritt, überträgt sich der Schwung der Hinterhand über den locker schwingenden Rücken nach vorn“, erklärt Ilka Brummenbaum, Tierärz- tin und Chiropraktikerin aus dem nordrhein-westfälischen Siegburg: „Je höher der sport- liche Anspruch und damit auch die Belastung des Pferdes ist, umso wichtiger, dass der Reiter sein Pferd über den Rücken reitet. Freizeitreiter, die ihr Pferd nur im Gelände rei- ten, leichttraben und im leichten Sitz galoppieren, reiten ihre Pferde oft automatisch so, dass es für die Vierbeiner nicht gesundheitsschädlich ist. Im Gelände zeigen Pferde von Natur aus schon mehr Schwung als beimTraining in der Halle oder auf dem Platz. Außer- dem werden sie von ihren Reitern dort auch meist weniger gestört. Sicherlich ist es nicht optimal, ein Pferd so laufen zu lassen, wie es will. Gesundheitliche Folgeschäden be- obachte ich dennoch häufiger bei den Pferden, deren Reiter schlecht ausgebildet sind, die aber dennoch einen sportlichen Ehrgeiz entwickeln und ihre Pferde dressurmäßig oder in anderen Leistungsrichtungen arbeiten wollen.“ Das korrekte Reiten über den Rücken beginne dabei in der Hinterhand des Pferdes, wie die Chiropraktikerin Ilka Brummenbaumweiter ausführt.„Der Motor das Pferdes sitzt hin- ten“, sagt sie. „Mit dem ‚Engagement’, dem Schub der Hinterhand, bringt das Pferd sein Gewicht nach vorn. Dazu muss es seine Hinterbeine unter seinen Körper bringen, was wiederum nur dann funktioniert, wenn es seinen Körper auch nach oben bringen kann. Die Bewegung wird von hinten über die Wirbelsäule, den Hals und den Kopf des Pferdes nach vorn geleitet. Wir nennen das auch den Bogen-Sehne-Effekt: Nach dem kraftvollen Antreten aus der Hinterhand, mit dem Spannen der Sehne eines Bogens vergleichbar, soll die Wirbelsäule bis in den Kopf hinein nachschwingen, wie es die Bogensehne tut, nachdem sie losgelassen wurde. So spart der Pferdekörper Kraft bei den nächsten Schrit- ten, weil der ‚schwingende Bogen’ als Grundenergie für den nächsten und übernächsten Schritt genutzt wird und so weiter. Dabei spielen Hinterhand-, Rücken- und Bauchmus- keln des Tieres eng und fein aufeinander abgestimmt zusammen. Das klappt allerdings nur, wenn die Muskulatur korrekt ausgebildet und locker ist.“ Was dabei im Pferd passiert, erklärt Ilka Brummenbaum so: „Wenn die Hinterhand des Pferdes untertritt, kippt zunächst eine Seite des Beckens ab, während die andere mit dem nach hinten gestreckten Bein ebenfalls gestreckt wird. Das Becken bewegt sich also in Form einer Acht. Die Beckenbeugung fließt mit einer Beugung im sogenannten lum- bosakralen Übergang weiter nach vorn – und zwar umso stärker, je weiter das Pferd un- tertritt. Dadurch kommt Zug auf alle langen Bänder. Die Rückenmuskeln spannen sich an, der Rücken hebt sich durch die fließende Bewegung von hinten nach vorn an.“ Damit das Pferd gut untertreten kann, muss es auch seine Bauchmuskulatur entspre- chend einsetzen, wie Karin Link ausführt: „Bei einem über den Rücken gerittenen Pferd werden nicht nur die oberen Muskeln vom Kopf über den Rücken bis zur Hinterhand, die sogenannte dorsale Muskelkette oder obere Verspannung, angesprochen, sondern auch

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