Blick Haltunsgheft

Blick in die Literatur

Zwischen Freiheit und Box: Pferdehaltung in der Geschichte

Zuerst war das Pferd für den Menschen ein Beutetier. Doch bald wurde der Jäger zum Pferdehalter und das Pferd zum Nutztier. Damit musste der Mensch sich erst- mals die Frage stellen, wie er das bisher frei umherstreifende Tier dauerhaft halten konnte. Ein kleiner Einblick in die Geschichte der Pferdehaltung. Auf dem Rücken des Pferdes eroberten die Mongolen einst ein Weltreich. Noch heute werden die Pferde in der Mongolei in großen Herden gehalten und von berittenen Hir- ten bewacht: Näher an ihrer natürlichen Lebensweise können Menschen Pferde wohl kaum halten. Diese wohl älteste Art der Pferdehaltung ist bis heute beispielsweise noch in Ungarn und der Camargue zu finden, genau wie seit altersher auf der iberischen Halb- insel, was der Guardian und Pferdetrainer Sadko G. Solinski (1937–2005) in seinem Werk „Reiter, Reiten, Reiterei“ (1983) so beschreibt: „Von den alten Berbern und Iberern wissen wir, daß sie ihre Pferde in ganzen Herden hielten, beritten überwachten und mit ihnen regelmäßig die Weidegründe wechselten. Auf der iberischen Halbinsel werden sie schon relativ früh dazu übergegangen sein, die Herden durch strengere Zuchtwahl zu verkleinern und in wasserreichen Bergtälern einzuschließen. Erstmals wurden so nicht mehr die Weiden dem Futterbedarf der Herde entsprechend gewechselt, sondern die Größe der Herde wurde dem Futtervorrat einer bestimmten Weide angepasst.“ Die Ibe- rer, so Solinski weiter, seien wahrscheinlich auch die Ersten gewesen, die Pferde im Stall gehalten hätten: „Etwas später holten die Iberer ihre Reithengste vor allem im Sommer in die Ställe und mußten sie hier erstmals voneinander trennen. Wahrscheinlich erfan- den sie damit die Boxenhaltung.“ Diese war schließlich wohl in der gesamten antikenWelt Standard, denn von den beiden „Weltmächten“ der Antike, den Griechen und den Römern, ist bekannt, dass sie zumin- dest ihre Reitpferde größtenteils im Stall hielten und ihnen nur im Sommer Zeit auf der Weide gönnten. Es ist sicher kein Zufall, dass sich die Stallhaltung zuerst gerade bei den Völkern, die einerseits in großem Umfang Handel trieben und andererseits in ebenso großem Umfang Krieg führten, durchgesetzt hat. Denn die entscheidenden Argumente dafür waren die ständige Verfügbarkeit des Pferdes und der dadurch gewährleistete enge Kontakt zum Menschen. So schreibt Xenophon (zwischen 430 und 425 v. Chr.– ca. 354 v. Chr.) in „Über die Reitkunst“ (350 v. Chr.): „Wenn einem nun ein Pferd gefällt, man es gekauft hat und nach Hause führt, so ist es gut, wenn der Stall in einem solchen Teil des Hauses liegt, wo der Herr das Pferd täglich sehen kann.“ Als Begründung für die- se Maßnahme führt er die Abhängigkeit des Reiters von seinem Pferd in gefährlichen Situationen an und damit die Notwendigkeit, dass Vertrauen zwischen ihnen herrschen muss: „Wer dies versäumt, vernachlässigt damit sich selbst, denn in Gefahren vertraut der Herr doch seinen Körper dem Pferde an.“

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