B: Rückwärtsrichten

Blick in das Heft "Rückwärtsrichten"

01/20 März 2020 bis Juni 2020

8,90 EUR (D) 9,80 EUR (A) 17,80 SFR (CH) 9,90 EUR (BeNeLux) 11,60 EUR (ES, I)

Rückwärtsrichten!

DiealtenMeister und dasRückwärtsrichten

AnderHandundunterm Sattel erarbeiten

Mit der Schaukel trainieren

Rückwärtsrichtenals Therapie PraktischeTipps von: UtaGräf AnjaBeran

RichardHinrichs MitjaHinzpeter

Jahrgang XVI | ISSN 1860-3963

Das Magazin zur Aus- und Weiterbildung von Reiter und Pferd www.dressur-studien.de | www.fair-zum-pferd.de

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Liebe Leserinnen und Leser, wer sich auf manchen Turnierplätzen Dressurprüfungen an- schaut, wird sich verwundert die Augen reiben, wenn es ans Rückwärtsrichten geht: Da wird gezogen, gedrückt und ge- quetscht – über alle Klassen hinweg. Dabei ist ein flüssig gerittenes Rückwärtsrichten der Prüfstein dafür, wie durchlässig das Pferd tatsächlich ist, unabhängig vom Ausbildungsstand. Ob es beim Rückwärtsrichten besser ist, den Pferderücken zu entlasten oder, im Gegenteil, eher schwer einzusitzen, darü- ber kann diskutiert werden. In allen Sparten der Reiterei gibt es dazu unterschiedliche Meinungen. Nicht weniger wichtig als der Sitz sind die anderen Reiterhil- fen. In einem sind sich schließlich alle Experten einig: Kein Ziehen am Zügel beim Rückwärtsrichten, denn das ist – ganz gleich um welche Reitweise es geht – immer ein Fehler! Neben vielen praktischen Tipps finden Sie auch wieder un- terschiedliche Übungsreihen. Manche wie- derholen sich: mit Absicht. Lesen Sie selbst, wie unsere Experten ähnliche Aufgaben er- arbeiten und reiten.

Editorial

Viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Heftes wünscht Ihnen Ihre

Claudia Sanders

Jetzt bitte einmal sammeln, konzentrieren und dann rückwärts durch das Stangen-L. Orgulloso und Claudia Sanders. Foto: Tom Sanders

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Richtig Rückwärtsrichten!

Editorial (Claudia Sanders)

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Biomechanik: Gut gebeugt zur gesunden Haltung (Karin Kattwinkel, Katrin Obst)

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Woran gutes Rückwärtsrichten zu erkennen ist (Christiane Horstmann, Christine Hlauscheck)

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Die alten Meister und das Rückwärtsrichten (Cora von Hindte-Mieske)

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Das Rückwärtsrichten und die Pferdepsyche (Nicole Künzel, Myriam Richter) Notwendiges Übel oder sinnvolle Lektion? (Alex Zell) Das Rückwärtsrichten an der Hand erarbeiten (Saskia Gunzer, Sabine Mosen) Das Rückwärtsrichten unterm Sattel erarbeiten (Katharina Möller, Sabine Mosen) Mit Rückwärtsrichten zur Versammlung (Uta Gräf) Die Schaukel: Durchlässigkeit und reiterliche Präzision (Michael Laußegger) Mit inneren Bildern rückwärtsrichten (Anja Görtzen) Rückwärtsrichten: Prüfstein zur Durchlässigkeit (Michael Putz, Dr. Elisabeth Albescu) Rückwärtsrichten: Was es über den Gesundheitszustand verrät (Dr. Kai Kreling) 61 Rückwärtsrichten als Mittel in Rekonvaleszenz und Theapie (Christine Konrad) 65 24 28 32 36 42 47 54 57

Inhalt

Reitersitz: Im Rückwärts ist der Mensch ein Paßgänger (Eckart Meyners)

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Nick Mott: Rückwärts (auf )richten

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Praktische Tipps und Übungsreihen

Richard Hinrichs: „Erst vorwärts, dann Koordination!“ Anja Beran: „Die Hilfen nicht gegeneinander geben“ Diana Krischke: Rückwärtsrichten in der Reitkunst 92 Mitja Hinzpeter: Rückwärtsrichten in der Working Equitation 98 Kirsten Jung: „Rückwärtsrichten hat Stellenwert eingebüßt“ 106 80 86

Allerlei Fair zum Pferd-Campus

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Serie: Das Auge schulen (Karin Link, Jan Nivelle)

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Falsch belehrt ist richtig teuer (Nils Michael Becker)

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Glosse Mr.P. & Me: Der Mann am Boden (MaB)

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Impressum

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Vorschau Heft 2/2020

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Foto Titelbild und Inhaltsverzeichnis: www.slawik.com Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38 Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jeweiligen Artikels. Farblich markierte Artikel kennzeichnen Titelthemen.

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„Ein Pferd kann indessen nicht gut zurückgehen, und man darf es auch nicht verlangen, bis es anfängt biegsam und in der Parade gehorsam zu werden.“ François Robichon de la Guérinière (französischer Reitmeister, 1688–1751)

Foto: www.slawik.com

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Biomechanik Rückwärtsrichten: Gut gebeugt zur gesunden Haltung Das Rückwärtsrichten kommt bei manchen Reitern nur deshalb im Trainingspro- gramm vor, weil es in Dressurprüfungen gefordert wird oder „irgendwie dazuge- hört“. Dabei kann die Übung viel zur Gymnastizierung des Pferdes beitragen. Karin Kattwinkel, gelernte Hufpflegerin, Pferdefachtherapeutin und -gesundheitstraine- rin sowie Gründerin des „Lehrinstituts für ganzheitliche Pferdegesundheit Equo Vadis”, lässt ihre Pferde schon ab dem Fohlenalter immer wieder ein paar Tritte rückwärtsrich- ten. „Das hat mehrere Vorteile: Es hat einen erzieherischen Nutzen, die Pferde werden sanfter im Umgang und außerdem geschickter“, sagt die studierte Agrarwissenschaft- lerin aus Lohmar. Ihr fallen eine Reihe weiterer positiver Aspekte des Rückwärtsrichtens ein: „Es dient der Gymnastizierung und der Kräftigung der Muskulatur und es kann die Neigung zum Pass korrigieren. Des Weiteren kann Rückwärtsrichten unter anderem bei Beckenschiefständen zur Anamnese dienen. ImWechsel mit einer Vorwärtsbewegung – in der Schaukel – fördert es Balance, Koordination, Gleichgewicht und Reaktionsbereit- schaft des Pferdes.“ Rückwärtsrichten macht fit Auch Katrin Obst, Physiotherapeutin für Pferde aus Mettmann bei Düsseldorf, nutzt das Rückwärtsrichten gezielt zum Gymnastizieren und zur Therapie. Sie erklärt, was dabei passiert: „Die Bauchmuskeln werden aktiviert und das Becken wird nach hinten abge- kippt. Die Hinterhand nimmt mehr Last auf, wobei die Gelenke vermehrt gebeugt wer- den. Befindet sich die Nase des Pferdes dabei etwa auf Höhe des Buggelenks, spannt sich das Nacken-Rückenband.“ Dieses Band verläuft vom Hinterhauptsbein kommend am Mähnenkamm entlang bis zumWiderrist und von dort aus, angeheftet an die Dorn- fortsätze der Wirbelsäule, weiter bis zum Kreuzbein. Im Rückwärtsrichten bewirkt es das Gleiche wie in der Versammlung: „Durch den Zug des Nacken-Rückenbandes werdenWi- derrist und Rücken angehoben“, erklärt Katrin Obst. Bei Pferden, die bereits in der Lage sind, sich stärker zu versammeln, funktioniert dieser Mechanismus auch bei einer etwas höheren Kopfhaltung. „Maßgeblich ist, dass das Genick immer der höchste Punkt bleibt“, fügt Karin Kattwinkel hinzu. Sie beschreibt, warum das Rückwärtsrichten die Haltung des Pferdes verbessern kann: „Das Aufdehnen der Oberlinie hat zur Folge, dass sich der Brustkorb hebt. Zudem wer- den die Rumpfträger, also die muskuläre Verbindung zwischen Rumpf und Vorderglied- maßen, aktiviert. Deshalb kann das Rückwärtsrichten, eine korrekte Ausführung voraus- gesetzt, einer Trageerschöpfung entgegenwirken.“ Karin Kattwinkel weist zudem darauf hin, dass im Rückwärtsrichten neben Sprunggelenk, Knie und Hüftgelenk auch die klei- neren Gelenke der Hinterhand – das Huf-, Kron- und Fesselgelenk – vermehrt gebeugt und damit beansprucht werden. „Die Beugemuskulatur der Hinterhand hat daher im Rückwärtsrichten viel Arbeit.“ Diese sogenannten langen Sitzbeinmuskeln („Hosen“), der Musculus biceps femoris, der Musculus semitendinosus und der Musculus semimem- branosus, die auch für die Hankenbeugung in der Versammlung eine wichtige Rolle

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So wie bei der in der Zeichnung zu sehenden Piaffe werden die Gelenke der Hinterhand beim Rückwärtsrichten bean- sprucht. Zeichnung: Sabine Kettner

spielen, werden somit durch das Rückwärtsrichten gekräftigt. „Eine deutliche Beugung der Hinterhandgelenke ist aber nur möglich, wenn die Streckmuskeln dehnungsbe- reit sind“, fügt die Therapeutin hinzu. Auch die Faszien der Hinterhand, insbesonde- re die Sehnen und Bänder, werden trainiert. „Sie werden bei jedem Tritt wie ein Bogen gespannt und mit Energie aufgeladen, die sich beim Abfußen wieder entlädt. Dadurch erhöht sich ihre Dehnungs- und Kontraktionsbereitschaft“, erläutert Karin Kattwinkel. Verstärkt werden alle positiven Effekte des Rückwärtsrichtens, wenn die Übung am Hang bergauf ausgeführt wird. „Das ist für das Pferd schon bei einer leichten Steigung extrem anstrengend und darf nicht übertrieben werden“, warnt Karin Kattwinkel. Katrin Obst empfiehlt deshalb, mit einer Pferdelänge zu beginnen und erst mit zunehmender Kräfti- gung die Anforderungen auf bis zu drei Pferdelängen zu steigern. Falsche Ausführung ist nicht nur ein Schönheitsfehler Schon scheinbar kleine Mängel in der Ausführung können allerdings die positiven As- pekte des Rückwärtsrichtens zunichte machen. Ein zu hoch getragener Kopf, ein wegge- drückter Rücken, ein Zurückrennen statt Zurücktreten – all das hat Konsequenzen, macht Katrin Obst deutlich: „Wird das Rückwärtsrichten nicht korrekt ausgeführt, führt

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Hier ist gut sichtbar, wie die Gelenke der Hinterhand beansprucht werden. Foto: Bärbel Schnell

das immer zu Verspannungen und Überlastungen. Betroffen sind alle Strukturen des Körpers: Gelenke werden komprimiert, Faszien und Muskeln ziehen sich zusammen und befinden sich somit in Dauerkontraktion.“ Das ist für das Pferd nicht nur unangenehm, sondern, zumindest auf Dauer, auch schädlich. Denn ist ein Muskel verkrampft, kann er nicht mehr physiologisch arbeiten und der Muskelstoffwechsel wird behindert. Katrin Obst erläutert: „Bei einem verspannten Muskel, der nicht in der Lage ist, sich abwech- selnd zu dehnen und zusammenzuziehen, funktioniert der Transport von Blut in den Muskel und aus ihm heraus nicht mehr. Ein Muskelaufbau ist in diesem Zustand nicht möglich. Halten die Verspannungen an, kann es sogar zum Muskelabbau kommen – ganz zu schweigen vom Stress, den das beim Pferd erzeugt.“ Besonders kontraproduktiv sei es, wenn trageerschöpfte Pferde mit bereits verkürzter Rückenmuskulatur beim Rückwärtsrichten in eine noch stärkere Hohlkreuzposition kommen, so Katrin Obst. In diesem Fall sollte der Reiter zunächst mit entsprechenden Übungen an der Aufwölbung des Rückens arbeiten. Diese kann beispielsweise im Stand erzeugt werden, indem leichter Druck am Brustbein ausgeübt oder mit dem Finger an der Bauchlinie entlanggefahren wird. Trotz aller positiven Aspekte des Rückwärtsrichtens weist Katrin Obst darauf hin, dass die Übung aufgrund der hohen Beanspruchung der Hinterhand in manchen Fällen auch schädlich sein kann. „Bei einigen Erkrankungen sollte der Reiter lieber darauf verzichten oder sich zumindest zuvor mit seinem Tierarzt oder Physiotherapeuten abstimmen.“ Als Beispiele nennt sie chronische Probleme im Kreuz-Darmbein-Gelenk, Erkrankungen des Fesselträgerursprungs an den Hinterbeinen sowie Spat. Besonders Pferden mit verkürzter Rückenmuskulatur, denen das Aufwölben der Oberli- nie schwerfällt, tut nach Erfahrung von Katrin Obst eine Massage der Rücken- und Sitz- beinmuskulatur oder Wärmeapplikation vor dem Training gut. Geeignet sind dafür zum Beispiel Fangopackungen, Wärmekissen oder spezielle, Tiefenwärme erzeugende De-

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cken. Daneben profitieren alle Pferde auch beim Rückwärtsrichten von einer mindestens 15-minütigen Aufwärmphase im Schritt – die vor jedem Training ohnehin selbstver- ständlich sein sollte. Die Therapeutin erklärt, warum: „Dadurch wird das Herz-Kreislauf- System aktiviert, mehr Sauerstoff in die Muskulatur transportiert, was vor Verletzungen schützt, vermehrt Gelenkschmiere gebildet und so Gelenkverschleiß entgegenwirkt. Das kommt dem Pferd aufgrund der besonderen Beanspruchung der Muskeln und Gelenke der Hinterhand auch beim Rückwärtsrichten zugute.“ Voraussetzungen für eine gute Gymnastizierung Karin Kattwinkel fasst zusammen, welche Voraussetzungen für ein gymnastizierendes Rückwärtsrichten erfüllt sein müssen: „Das Pferd muss langsam rückwärtstreten, damit es sich koordinieren kann. Ich sollte die Anzahl der Tritte stets kontrollieren können. Es darf kein Zwang ausgeübt werden, der das Pferd veranlasst, aus Angst rückwärtszutre- ten. Sehr wichtig ist die Dehnungsbereitschaft des Pferdes, die das Aufwölben der Ober- linie ermöglicht.“ Die erwünschte Lastaufnahme der Hinterhand setzt außerdem voraus, dass das Pferd gerade zurücktritt. „Es soll außerdem in diagonaler Fußfolge zurücktre- ten. Das ist nur möglich, wenn die Hinterhand beugefähig ist“, so die Therapeutin. Ist ein Pferd nicht in der Lage, gerade und diagonal rückwärtszutreten, könne dies ein Indiz für Blockaden oder andere körperliche Einschränkungen sein. In diesem Fall ist ein Thera- peut zurate zu ziehen. (Karin Ottemann) Diese Übung macht den Meister Wer nicht sicher ist, ob er das Rückwärtsrichten korrekt ausführt, dem empfiehlt Ka- rin Kattwinkel, sich dabei die Zügel aus der Hand kauen zu lassen. „Wenn das klappt, ist es ein Zeichen für eine gute Dehnungsbereitschaft des Pferdes sowie eine her- vorragende Hilfengebung des Reiters. Hilfreich ist, bei geschlossenen Augen ein in- neres Bild zu verwenden: ‚Ich werde mit dem Sattel auf dem Pferd nach hinten be- wegt‘ – passiv, nicht aktiv!“, betont sie. Die Schenkel liegen dabei etwas zurück und treiben wechselseitig. Kennt das Pferd diese Hilfen noch nicht, kann eine Hilfsper- son zunächst durch Antippen oberhalb des Buggelenks unterstützen.

Mehr über Karin Kattwinkel erfahren Sie im Internet unter www.equo-vadis.de und über Katrin Obst unter www.katrinobst.de

Lesetipps: Karin Kattwinkel: „Gutes Reiten hält mein Pferd gesund“, Band 1 und 2, Olms, 2009/2010 Karin Kattwinkel: „Wenn Pferde Probleme haben“, Olms, 2007 Katrin Obst: „Fitnessstudio für mein Pferd“, Kosmos, 2018 Katrin Obst: „Fit mit Obst“, Kosmos, erscheint im März 2020 Dressur-Studien: „Der Rücken: Kraft und Trageerschöpfung“, Heft 02/2016

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