4/19 Blick ins Heft

Biomechanik

den Gliedmaßen veranlasst wird, wird auch die Brustmuskulatur, insbesondere der Mus- culus pectoralis profundus, der Brustbein und Oberarm verbindet, trainiert.“ Die Akti- vität im Vorderbein fördert außerdem den richtigen Bewegungsablauf, betont Mi- chaela Wieland: „Die Vordergliedmaße wird über den Stangen durch den Einsatz der Schultermuskulatur korrekt nach vorn geführt und nicht durch den Kopf-Arm- Muskel, den Musculus brachiocephalicus.“ Dieser bringt insbesondere in der absolu- ten (nicht klassischen) Aufrichtung das Bein nach vorn, indem er das Buggelenk nach oben zieht. Karin Link erklärt, warum das Pferd bei der Arbeit über Stangen automatisch eine Vor- wärts-abwärts-Haltung einnimmt: „Durch die Stangen wird seine Aufmerksamkeit ge- weckt. Ist der Blick auf sie gerichtet, senken sich Kopf und Hals. Dabei ermöglicht der schwingende Rücken, den Hals aus der Schulter heraus fallen zu lassen. Die S-Kurve der Halswirbelsäule wird gerader und der Ganaschenwinkel größer. Das Pferd öffnet sich körperlich, aber auch mental.“ Da sich das Okzipitalgelenk zwischen dem Hinterhaupts- bein und dem ersten Halswirbel öffnet, entspannt sich das Nackenband in diesem Be- reich. Für Karin Link ist dies ein wichtiger Aspekt: „Vor allem das kontinuierliche Reiten hinter der Senkrechten oder in Rollkur führt dazu, dass hier häufig starke Spannungen auftreten.“ Einen zusätzlichen Trainingseffekt sieht Michaela Wieland beim Überwinden von Stangen und insbesondere Cavaletti im Galopp. „Bei guter Arbeit der Hinterhand hebt das Pferd seinen Brustkorb über die Rückenfaszie und den langen Rücken- muskel, den Musculus longissimus thoracis et lumborum, deutlich an. Mit dieser Arbeit stärke ich daher die Rückenmuskulatur sowie die Bauchmuskulatur als Ge- genspieler.“ Abstände und Höhe langsam steigern Die Abstände zwischen den Stangen müssen der Schritt- oder Trittlänge beziehungswei- se der Länge des Galoppsprungs des jeweiligen Pferdes angepasst sein. Werden die Ab- stände vergrößert, führt das dazu, dass das Pferd seinen Rahmen erweitern muss. „Im Prinzip ähnlich wie bei einer Trabverstärkung. Der Vorteil ist aber, dass es durch das stär- kere Anheben der Gliedmaßen im Rumpf aktiver ist und nicht so leicht den Rücken weg- drücken und sich entziehen kann“, macht Michaela Wieland deutlich. Sie erklärt weiter: „Dadurch, dass die Hinterbeine weiter nach vorn fußen, dehnen sich die langen Sitzbein- muskeln und ebenso die Glutealmuskulatur, die wiederum mit der langen Rückenmus- kulatur verbunden ist. Diese wird insbesondere im Bereich der Lende gedehnt.“ Durch das vermehrte Vorgreifen der Vorderbeine komme es außerdem zur aktiven Dehnung des breiten Rückenmuskels (Musculus latissimus dorsi). Dieser bei vielen Pferden ver- spannte Muskel entspringt an der Rückenfaszie und setzt im oberen Bereich des Ober- arms an. In der Stützbeinphase hat er die Aufgabe, den Rumpf über das stehende Bein zu ziehen. „Der Trainingseffekt auf alle in der Stangen- und Cavalettiarbeit beanspruchten Strukturen steigt mit zunehmender Höhe“, sagt Karin Link. Stehen die Cavaletti auf höchster Stufe, muss sich das Pferd deutlich im Rahmen öffnen und seine Oberlinie aufdehnen. „Die Arbeit über höher liegende Stangen ermöglicht, den Bewegungs-

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