Blick: Ausgabe 2 "Fair zur Fellnase" Best Buddies

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12,90 Euro | 1/23 | Ausgabe 2 Jahrgang II | ISBN 978-3-9818794-69

FAKTEN UND FRÖHLICHES RUND UM DEN HUND

Best Buddies: VonBeziehungen undBindungen

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Liebe Leserinnen und Leser,

wünschen wir uns nicht alle ein gutes Verhältnis und eine sichere Bin dung zu unseren Hunden? Schließlich leben wir mit ihnen zusammen und freuen uns jeden Tag auf ihre Gesellschaft. Doch um wirklich eine sichere Bindung, umgangssprachlich auch die gute Bindung, zu unseren Hunden aufzubauen, braucht es einiges. Und das liegt nicht nur in den Händen der Halter, die einen Welpen mit strahlenden Augen in Empfang nehmen. Auch beim Züchter kann ei niges schieflaufen: Ist zum Beispiel die Mutterhündin nicht fürsorglich genug, gibt sie ihren Welpen eine schwere Hypothek mit auf den weite ren Lebensweg. Was eine sichere Bindung ausmacht und wie Sie diese mit Ihrem Hund pflegen können, beschreiben wir in diesem Heft. Und auch, was Sie tun können, wenn es mal nicht so gut läuft.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre

Claudia Sanders

Von links nach rechts: Joscha, Claudia und Kay. Foto: Tom Sanders

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Best Buddies: Von Beziehungen und Bindungen

Editorial (Claudia Sanders)

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Prof. Ádám Miklósi: Beziehung und Bindung in der Forschung

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Robert Mehl: Bindung, Epigenetik und Emotionen – alles eine reine Kopfsache

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Eine Übersicht: Wie Wesenssicherheit entsteht (Kynologos)

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Sabine Zemla: Fünfe gerade sein lassen – Nur kein Stress

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Thomas Baumann: Manchmal reicht auch eine gute Beziehung

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Clarissa von Reinhardt: Der Hund muss sich auf den Menschen verlassen können

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Inge Wanken: Vertrauen ist keine Einbahnstraße

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Michael Grewe: Der Mensch ist in der Veranwortung für den Hund

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Iris Schöberl: Sichere Bindung – warum sie die Stressbewältigung verbessert

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Allerlei

Das etwas andere Rasseporträt: Australian Shepherd (Tina Löffler)

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Kolumne„Nachhaltig leben mit Hund“: Gemeinsam den Wald schützen

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(Tine Rotheimer)

Alles was Recht ist: Obacht: Das Tierarzneimittelgesetz

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(Nils Michael Becker)

Tierisch anders: Die Paartherapie (Oliver Schiebek)

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Impressum und Vorschau Heft 2/2023, Ausgabe 3 von FzF

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Foto Titelbild: Quasar Photo/istock.com Foto Inhaltsverzeichnis: Inside Studio/istock.com

Redaktionsanschrift: Birkenweg 10, 57629 Mörsbach, Tel.: 02688/988 65 38 Die Namen in Klammern bezeichnen die Autoren oder Interviewpartner des jeweiligen Artikels.

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„Das Leben von Hunden ist zu kurz. Das ist eigentlich ihr einziger Fehler.“ Agnes Sligh Turnbull (amerikanische Schriftstellerin, 1888–1982)

Foto: Dieter Meyerl/istock.com

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Bindung in der Forschung Beziehung und Bindung in der Forschung

Der ungarische Verhaltensbiologe Ádám Miklósi war der erste Forscher, der das Bindungsverhalten von Hunden untersucht hat. Er ist Professor für Ethologie an der Eötvös-Loránd-Universität Budapest und Leiter des ethologischen Lehrstuhls und des Family Dog Project. Das Projekt ist die größte Forschungsgruppe in Euro pa, die sich ausschließlich mit demVerhalten von Hunden beschäftigt. Herr Miklósi, wie definieren Sie Beziehung und Bindung? Den Unterschied zwischen Beziehung und Bindung kann ich aus ethologischer Sicht beschreiben: Die Beziehung ist eher oberflächlich zwischen zwei Lebewesen, zwischen zwei Menschen oder zwischen einem Tier und einem Menschen. Bindung hingegen ist eine tiefergehende Art der Beziehung, in der sich die Partner in dividuell erkennen und ein gewisses Gefühl der Sicherheit füreinander bieten. Darüber hinaus ist das Erkundungsverhalten ein wichtiger Orientierungspunkt innerhalb der Bin dung, ebenso wie der soziale Kontakt. Es gibt auch verschiedene Typen und Grade der Bindung. Sie umschreibt ein Verhaltenssystem, deshalb wäre der treffendere Begriff der des „Bindungssystems“. Innerhalb dieses Systems unterscheiden wir wieder zwischen unterschiedlichen Bindungstypen. Wie beschreiben Sie die sichere Bindung? Die sogenannte „sichere Bindung“ wäre eigentlich mit der Formulierung„ausbalancierte Bindung“ noch treffender beschrieben. Das bedeutet: Hier liegt ein ausgewogenes Ver hältnis vor zwischen Erkundungsverhalten („Ich bin offen und schaue mir die Welt an“), dem Wunsch nach sozialer Nähe und Interaktion („Ich möchte bei dir sein“) und dem natürlichen Bedürfnis nach Sicherheit, denn die Umgebung ist voll von potenziellen Ge fahren. Jede Bindung ist von beiden Partnern beeinflusst und entwickelt sich durch an dauernde Wechselwirkung. Balanciert bedeutet also, dass jeder Hund oder jedes andere Lebewesen, das in einer Bindung lebt, neue Erfahrungen und soziale Kontakte braucht, nicht nur mit seinem Be sitzer, sondern auch mit anderen Menschen in seiner Umgebung. Es ist wichtig, Zeit mit ihnen zu verbringen, aber auch Zeit mit dem Besitzer. Wenn es ein Gleichgewicht gibt und der Hund Vertrauen in seinen Besitzer hat, dass dieser nicht einfach aus seinem Le ben verschwindet, dann ist das eine sichere und ausbalancierte Bindung. Und die unsichere-vermeidende Bindung wird wie definiert? Wenn ein Hund in einer solchen Situation lebt, bedeutet dies, dass er seine Bezugsper son nicht als wichtigen Teil seines Lebens ansieht und sich auch allein wohlfühlt. Ähnlich wie manche Menschen, die gern allein sind und damit keine Probleme haben – wobei das natürlich nur ein ganz kleiner Anteil ist. Dies ist nicht unbedingt eine Absicht zum

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Bindung in der Forschung

Die Bindungstherie in der Psychologie

Die Bindungstheorie wurde erstmals von dem englischen Psychiater und Psycho analytiker John C. Bowlby (1907–1990) in den 1950er-Jahren entwickelt. Er argumen tierte, dass Kinder eine angeborene Tendenz haben, enge Beziehungen zu ihren pri mären Bezugspersonen aufzubauen, die seiner Meinung nach dazu dienen, ihr Über leben und ihre Sicherheit zu gewährleisten. Er betonte auch die Bedeutung früher Kindheitserfahrungen und argumentierte, dass frühkindliche Bindungen einen lang fristigen Einfluss auf unsere Beziehungen im Erwachsenenalter haben können. Die Kanadierin Mary S. Ainsworth (1913–1999) untermauerte diese Bindungstheorie empirisch. Sie entwickelte in den 1970er-Jahren den „Fremde-Situations-Test“ (FST, „Strange Situation Test“ 1970-1978), eine experimentelle Methode zur Untersuchung der Bindung zwischen Kindern und ihren primären Bezugspersonen, also in der Re gel zu den Müttern. Die Forscherin wählte für ihre Testumgebung ein Wartezimmer mit Spielecke, wie es in Arztpraxen üblich ist, um die standardisierte Verhaltensbe obachtung bei einjährigen Kindern durchzuführen. Die Mutter verließ für kurze Zeit den Raum, was für die Kinder in der unbekannten Umgebung eine Belastung dar stellte. In Anwesenheit der Mutter hingegen sollten sich die Kinder sicher fühlen und die Umgebung erkunden können. Mary S. Ainsworth beobachtete, wie das Kind auf diese Trennung undWiedervereini gung reagierte und entwickelte daraus verschiedene Bindungskategorien. Die sicher gebundenen Kinder (ca. 60 bis 65 Prozent der Kinder in den damaligen Stichproben) zeigten in der fremden Situation eine angemessene Balance zwischen dem Erkunden der neuen Umgebung und der Suche nach Nähe zu einem ihnen un bekannten Menschen, der auch im Raum war. Diese Kinder hatten ein hohes Maß an Vertrauen in ihre Bezugsperson und waren in der Regel bereit, diese als„sicheren Ha fen“ zu betrachten. Sie waren aber auch in der Lage, Kontakt mit der fremden Person aufzunehmen und die Zeit bis zur Wiederkehr der Mutter ohne Stress zu überstehen. Die unsicher-vermeidend gebundenen Kinder (ca. 20 bis 25 Prozent der Kinder) zeigten wenig emotionale Reaktion auf die Trennung von der Mutter und schienen keine besondere Freude oder Erleichterung zu zeigen, wenn sie später wieder ver eint wurden. Diese Kinder zeigten wenig Interesse an der Interaktion mit der frem den Person und spielten lieber allein. Die unsicher-ambivalent gebundenen Kinder (ca.10 bis 15 Prozent der Kinder) waren bei der Wiedervereinigung mit der Bezugsperson ambivalent und wider sprüchlich in ihren Reaktionen. Sie suchten die Nähe der Bezugsperson, zeigten aber gleichzeitig eine Ablehnung der Nähe. Diese Kinder waren oft ängstlich und unbere chenbar in ihrem Verhalten. Später kam eine vierte Bindungskategorie hinzu: das desorganisierte Bindungs muster. Diese Kategorie wurde eingeführt, um Kinder zu beschreiben, die in der fremden Situation widersprüchliche oder ungewöhnliche Verhaltensweisen zeigten und bei der Wiedervereinigung mit der Bezugsperson verwirrt oder verängstigt wirkten.

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Bindung in der Forschung

Prof. ÁdámMiklósi. Foto: Adelkova/Wikimedia.com

Vermeiden von Menschen, sondern einfach eine persönliche Vorliebe. Zum Glück gibt es nicht sehr viele solcher Hunde, denn Hunde wurden und werden für eine Präferenz ge genüber den Menschen selektiert. Dann gibt es noch die ambivalente Bindung? Eine ambivalente Bindung bei Hunden äußert sich durch Unsicherheit im Verhalten ge genüber dem Besitzer, und wahrscheinlich zeigen die Besitzer auch ähnliche Gefühle ge genüber dem Hund. Der Vierbeiner zeigt einerseits den Wunsch nach Nähe, lehnt die se aber andererseits ab. Nach der Wiedervereinigung zeigen diese Hunde ein sehr in tensives Begrüßungsverhalten und rennen für eine längere Zeit zu dem Besitzer hin und dann wieder von ihm weg. Dieses mangelnde Vertrauen in den Besitzer kann ver schiedene Ursachen haben. In einigen Fällen haben Hunde aus dem Tierheim aufgrund schlechter Erfahrungen Schwierigkeiten, eine Bindung zum Menschen aufzubauen. In anderen Fällen fehlt es dem Halter an Erfahrung und Kompetenz, auf die Bedürfnisse des Hundes einzugehen. Wenn der Hund beispielsweise, ohne es gelernt zu haben, über längere Zeit allein zu Hause bleiben muss und niemand da ist, der ihm Sicherheit gibt, kann sich dies auf seine Bindung zum Besitzer auswirken und zu Unsicherheit führen.

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Eine ausbalancierte Bindung zum Hund wünschen sich wohl fast alle Hundehalter. Foto: Inside-Studio/istock.com

Eine ambivalente Bindung kann also durch verschiedene Faktoren entstehen und äußert sich in einem unsicheren Verhalten des Hundes gegenüber seinem Besitzer. Übrigens: Auch die Hunde, die keinen Schritt ohne ihren Halter machen wollen, haben eine ambi valente Bindung zu ihrem Menschen. Sie haben verschiedene Tests und Studien durchgeführt, um das Bindungsverhal ten bei Hunden beschreiben zu können. Sie haben sich dabei an den Modellen der Entwicklungspsychologin Mary S. Ainsworth orientiert. Wie sind Sie vorgegangen? Unser Fokus lag nicht auf der Kategorisierung des Verhaltens, sondern als Ethologen ha ben wir erst einmal beobachtet und beschrieben, was wir gesehen haben. Mary S. Ains worth beobachtete einjährige Kinder in einem Wartezimmer mit Spielecke, um ihr Bin dungsverhalten zu untersuchen. Ähnliche Verhaltensmuster haben wir auch bei Hun den in ähnlichen Situationen gesehen, also wenn der Besitzer den Raum verlässt. Einige Hunde reagieren gar nicht auf die Trennung, während andere an der Tür warten oder bellen und weinen. Beim Erkundungsverhalten und Körperkontakt gibt es jedoch Un terschiede, da einjährige Kinder noch nicht unbedingt laufen können und oft auf dem Schoß der Mutter sitzen, was bei Hunden nicht der Fall ist. Dennoch gibt es Ähnlich

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keiten im Verhalten und auch bei Hunden kann Bindungsverhalten beobachtet werden. Die Hunde, die wir getestet haben, waren alle ein Jahr alt. In ihrer Entwicklung sind sie im Verhältnis also schon weiter als ein Kind in dem Alter. Die Hunde hatten schon mehr Erfahrung, kannten mehr unterschiedliche Menschen und Situationen als die Kinder. Im Verhältnis lässt sich sagen, dass bei diesem Test mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede zwischen Hunde- und Menschenverhalten sichtbar waren. Nach dem reinen Beobachten haben Sie schließlich auch den „Fremde-Situations Test“ nach Mary S. Ainsworth durchgeführt? Ja, bei der Erforschung der Bindung zwischen Hund und Halter wird ähnlich vorgegan gen wie bei den Studien von Mary S. Ainsworth. Es wird beobachtet, wie der Hund auf die Trennung von seinem Besitzer und die Anwesenheit einer fremden Person reagiert. Der Fremde-Situations-Test besteht aus verschiedenen Episoden, darunter eine kurze Phase, in der Hund und Besitzer zusammen sind und dann eine fremde Person hinzu kommt. Diese Situation soll einen Stressfaktor darstellen und wird verwendet, um zu se hen, wie spezifisch die Bindung zwischen Hund und Besitzer ist. Einige Hunde zeigen keinen Unterschied in ihrem Verhalten gegenüber ihrem Besitzer oder einer fremden Person, während andere eine spezifische Bindung zu ihrem Besitzer haben und die frem de Person ignorieren. Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Reaktion des Hundes auf die Trennung und die Anwesenheit einer fremden Person von verschiedenen Faktoren abhängen kann, wie beispielsweise der Erfahrung des Hundes mit anderen Menschen oder der Persönlichkeit des Hundes. Viele Hunde zeigen mehr Selbstständigkeit, interes sieren sich für die Umwelt oder spielen mit der fremden Person nur dann, wenn der Be sitzer auch da ist. Alleine sind viele eher schüchtern gegenüber einer fremden Person. Nein, ich glaube eher nicht. In den meisten Fällen erkennt ein erfahrener Hundeführer schon beim Anblick der Interaktion zwischen dem Hund und seinem Besitzer, ob es Pro bleme gibt oder nicht. Wenn ein Hundehalter jedoch das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt, dann kann es durchaus sinnvoll sein, sich Hilfe zu holen. In solchen Fällen kann ein Fremde-Situations-Test Sinn machen. Es kann auch Spaß machen, zu sehen, wie der Hund auf bestimmte Situationen reagiert. Es gibt jedoch viele verschiedene Methoden, um die Bindung zwischen Mensch und Hund zu testen, darunter Fragebögen und Ver haltensbeobachtungen. Daher ist es wichtig, sich über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren, um ein geeignetes Testverfahren auszuwählen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, eine Bindung zu einem Hund aufzubauen, der bisher überwiegend schlechte soziale Erfahrungen gemacht hat, wie beispielswei se ein Hund aus dem Auslandstierschutz? Wir haben sogar wissenschaftliche Daten dazu. Wir konnten feststellen, dass auch Hunde im Tierheim nach einer Stunde oder dreimal 20 Minuten beginnen, eine Bindung zu den Menschen aufzubauen, die sie besuchen. Wie diese Bindung dann aussieht, hängt natür lich von der Vorgeschichte des Hundes ab und wie der neue Besitzer auf diese Situation Macht es Sinn, wenn ich als Hundebesitzer selber solch einen Bindungstest mit meinem Hund mache?

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